Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797.

Bild:
<< vorherige Seite

Zustand, der mehr gehindert als beför-
dert werden muss (es müsste denn seyn,
dass man lieber ein Monstrum eruditionis
als einen gesunden lange lebenden Men-
schen daraus erziehen wollte). Ein Kind
hingegen, was mehr Körper als Geist ist,
und wo leztrer zu langsam sich zu ent-
wickeln scheint, kann schon etwas eher
und stärker zum Denken aufgemuntert
und darinne geübt werden.

Noch muss ich hierbey erinnern,
dass gar viele Nachtheile des frühzeiti-
gen Studierens, nicht sowohl von der
Geistesanstrengung, als vielmehr von
dem Stubensitzen, von der eingeschloss-
nen verdorbnen Schulluft herrühren,
worinne man die Kinder diess Geschäft
treiben lässt. Wenigstens wird dadurch
die Schwächung verdoppelt. Ich bin
völlig überzeugt, dass es weit weniger
schaden würde, wenn man die Kinder
ihre Denkühungen, bey guter Jahreszeit,
im Freyen halten liesse, und hier hat
man zugleich das Buch der Natur bey
der Hand, welches gewiss, vorausgesezt

Zuſtand, der mehr gehindert als beför-
dert werden muſs (es müſste denn ſeyn,
daſs man lieber ein Monſtrum eruditionis
als einen geſunden lange lebenden Men-
ſchen daraus erziehen wollte). Ein Kind
hingegen, was mehr Körper als Geiſt iſt,
und wo leztrer zu langſam ſich zu ent-
wickeln ſcheint, kann ſchon etwas eher
und ſtärker zum Denken aufgemuntert
und darinne geübt werden.

Noch muſs ich hierbey erinnern,
daſs gar viele Nachtheile des frühzeiti-
gen Studierens, nicht ſowohl von der
Geiſtesanſtrengung, als vielmehr von
dem Stubenſitzen, von der eingeſchloſs-
nen verdorbnen Schulluft herrühren,
worinne man die Kinder dieſs Geſchäft
treiben läſst. Wenigſtens wird dadurch
die Schwächung verdoppelt. Ich bin
völlig überzeugt, daſs es weit weniger
ſchaden würde, wenn man die Kinder
ihre Denkühungen, bey guter Jahreszeit,
im Freyen halten lieſse, und hier hat
man zugleich das Buch der Natur bey
der Hand, welches gewiſs, vorausgeſezt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0529" n="501"/>
Zu&#x017F;tand, der mehr gehindert als beför-<lb/>
dert werden mu&#x017F;s (es mü&#x017F;ste denn &#x017F;eyn,<lb/>
da&#x017F;s man lieber ein <hi rendition="#i">Mon&#x017F;trum eruditionis</hi><lb/>
als einen ge&#x017F;unden lange lebenden Men-<lb/>
&#x017F;chen daraus erziehen wollte). Ein Kind<lb/>
hingegen, was mehr Körper als Gei&#x017F;t i&#x017F;t,<lb/>
und wo leztrer zu lang&#x017F;am &#x017F;ich zu ent-<lb/>
wickeln &#x017F;cheint, kann &#x017F;chon etwas eher<lb/>
und &#x017F;tärker zum Denken aufgemuntert<lb/>
und darinne geübt werden.</p><lb/>
            <p>Noch mu&#x017F;s ich hierbey erinnern,<lb/>
da&#x017F;s gar viele Nachtheile des frühzeiti-<lb/>
gen Studierens, nicht &#x017F;owohl von der<lb/>
Gei&#x017F;tesan&#x017F;trengung, als vielmehr von<lb/>
dem Stuben&#x017F;itzen, von der einge&#x017F;chlo&#x017F;s-<lb/>
nen verdorbnen Schulluft herrühren,<lb/>
worinne man die Kinder die&#x017F;s Ge&#x017F;chäft<lb/>
treiben lä&#x017F;st. Wenig&#x017F;tens wird dadurch<lb/>
die Schwächung verdoppelt. Ich bin<lb/>
völlig überzeugt, da&#x017F;s es weit weniger<lb/>
&#x017F;chaden würde, wenn man die Kinder<lb/>
ihre Denkühungen, bey guter Jahreszeit,<lb/>
im Freyen halten lie&#x017F;se, und hier hat<lb/>
man zugleich das Buch der Natur bey<lb/>
der Hand, welches gewi&#x017F;s, vorausge&#x017F;ezt<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[501/0529] Zuſtand, der mehr gehindert als beför- dert werden muſs (es müſste denn ſeyn, daſs man lieber ein Monſtrum eruditionis als einen geſunden lange lebenden Men- ſchen daraus erziehen wollte). Ein Kind hingegen, was mehr Körper als Geiſt iſt, und wo leztrer zu langſam ſich zu ent- wickeln ſcheint, kann ſchon etwas eher und ſtärker zum Denken aufgemuntert und darinne geübt werden. Noch muſs ich hierbey erinnern, daſs gar viele Nachtheile des frühzeiti- gen Studierens, nicht ſowohl von der Geiſtesanſtrengung, als vielmehr von dem Stubenſitzen, von der eingeſchloſs- nen verdorbnen Schulluft herrühren, worinne man die Kinder dieſs Geſchäft treiben läſst. Wenigſtens wird dadurch die Schwächung verdoppelt. Ich bin völlig überzeugt, daſs es weit weniger ſchaden würde, wenn man die Kinder ihre Denkühungen, bey guter Jahreszeit, im Freyen halten lieſse, und hier hat man zugleich das Buch der Natur bey der Hand, welches gewiſs, vorausgeſezt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797/529
Zitationshilfe: Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797, S. 501. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797/529>, abgerufen am 22.11.2024.