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Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797.

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Kind blieb am Leben. -- Selbst eine ge-
wisse Immunität von Krankheiten hat die
weise Natur mit diesem Zustand verbun-
den, und es ist ein Erfarungssatz, dass
eine schwangere Frau weit weniger von
ansteckenden und andern Krankheitsur-
sachen leidet, und dass eine Frau nie
grössre Wahrscheinlichkeit zu leben hat,
als so lange sie schwanger ist.

Das Gefühl von der Wichtigkeit
dieses Zeitpuncts war nun auch von je-
her den Menschen so eingeprägt, dass
bey allen alten Völkern eine Schwangere
als eine heilige und unverlezliche Per-
son betrachtet, und jede Mishandlung
und Verletzung derselben als doppelt
strafbar angesehen wurde. -- Leider hat
unser Zeitalter, sowohl in physischer als
politischer Hinsicht hier einen Unter-
schied gemacht. Die nervenschwache,
empfindliche und zärtliche Konstitution
der jetzigen Frauen, hat diesen Aufent-
halt der Frucht im Mutterleibe weit un-
sichrer und gefährlicher gemacht. Der

Kind blieb am Leben. — Selbſt eine ge-
wiſſe Immunität von Krankheiten hat die
weiſe Natur mit dieſem Zuſtand verbun-
den, und es iſt ein Erfarungsſatz, daſs
eine ſchwangere Frau weit weniger von
anſteckenden und andern Krankheitsur-
ſachen leidet, und daſs eine Frau nie
gröſsre Wahrſcheinlichkeit zu leben hat,
als ſo lange ſie ſchwanger iſt.

Das Gefühl von der Wichtigkeit
dieſes Zeitpuncts war nun auch von je-
her den Menſchen ſo eingeprägt, daſs
bey allen alten Völkern eine Schwangere
als eine heilige und unverlezliche Per-
ſon betrachtet, und jede Mishandlung
und Verletzung derſelben als doppelt
ſtrafbar angeſehen wurde. — Leider hat
unſer Zeitalter, ſowohl in phyſiſcher als
politiſcher Hinſicht hier einen Unter-
ſchied gemacht. Die nervenſchwache,
empfindliche und zärtliche Konſtitution
der jetzigen Frauen, hat dieſen Aufent-
halt der Frucht im Mutterleibe weit un-
ſichrer und gefährlicher gemacht. Der

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[470/0498] Kind blieb am Leben. — Selbſt eine ge- wiſſe Immunität von Krankheiten hat die weiſe Natur mit dieſem Zuſtand verbun- den, und es iſt ein Erfarungsſatz, daſs eine ſchwangere Frau weit weniger von anſteckenden und andern Krankheitsur- ſachen leidet, und daſs eine Frau nie gröſsre Wahrſcheinlichkeit zu leben hat, als ſo lange ſie ſchwanger iſt. Das Gefühl von der Wichtigkeit dieſes Zeitpuncts war nun auch von je- her den Menſchen ſo eingeprägt, daſs bey allen alten Völkern eine Schwangere als eine heilige und unverlezliche Per- ſon betrachtet, und jede Mishandlung und Verletzung derſelben als doppelt ſtrafbar angeſehen wurde. — Leider hat unſer Zeitalter, ſowohl in phyſiſcher als politiſcher Hinſicht hier einen Unter- ſchied gemacht. Die nervenſchwache, empfindliche und zärtliche Konſtitution der jetzigen Frauen, hat dieſen Aufent- halt der Frucht im Mutterleibe weit un- ſichrer und gefährlicher gemacht. Der

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Zitationshilfe: Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797, S. 470. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797/498>, abgerufen am 17.06.2024.