Krankheiten, die Art des Todes und auch den Tag desselben bestimmen zu können. -- Diess war der Glaube nicht blos des grossen Haufens, sondern der grössten, verständigsten und einsichts- vollesten Personen der damaligen Zeit, und es ist zum erstaunen, wie lange und wie fest man daran hing, ohneracht es nicht an Beyspielen fehlen konnte, wo die Prophezeyung fehlschlug. Bischöffe, hohe Geistliche, berühmte Philosophen und Aerzte gaben sich mit dem Nativi- tätstellen ab, man las sogar auf Univer- sitäten Collegia darüber, so gut wie über die Punktirkunst und Cabala. Zum Be- weise erlaube man mir ein Paar Worte von dem berühmten Thurneisen, dem glänzendsten Phänomen dieser Art, und einem wirklich ausgezeichneten Men- schen, zu sagen. Er lebte im vorigen Jahrhundert an dem Kurfürstlichen Hofe zu Berlin, und war Leibarzt, Chemist, Nativitätsteller, Calendermacher, Buch- drucker und Buchhändler, alles in einer Person. Seine Reputation in der Astro-
Krankheiten, die Art des Todes und auch den Tag deſſelben beſtimmen zu können. — Dieſs war der Glaube nicht blos des groſsen Haufens, ſondern der gröſsten, verſtändigſten und einſichts- volleſten Perſonen der damaligen Zeit, und es iſt zum erſtaunen, wie lange und wie feſt man daran hing, ohneracht es nicht an Beyſpielen fehlen konnte, wo die Prophezeyung fehlſchlug. Biſchöffe, hohe Geiſtliche, berühmte Philoſophen und Aerzte gaben ſich mit dem Nativi- tätſtellen ab, man las ſogar auf Univer- ſitäten Collegia darüber, ſo gut wie über die Punktirkunſt und Cabala. Zum Be- weiſe erlaube man mir ein Paar Worte von dem berühmten Thurneiſen, dem glänzendſten Phänomen dieſer Art, und einem wirklich ausgezeichneten Men- ſchen, zu ſagen. Er lebte im vorigen Jahrhundert an dem Kurfürſtlichen Hofe zu Berlin, und war Leibarzt, Chemiſt, Nativitätſteller, Calendermacher, Buch- drucker und Buchhändler, alles in einer Perſon. Seine Reputation in der Aſtro-
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[18/0046]
Krankheiten, die Art des Todes und
auch den Tag deſſelben beſtimmen zu
können. — Dieſs war der Glaube nicht
blos des groſsen Haufens, ſondern der
gröſsten, verſtändigſten und einſichts-
volleſten Perſonen der damaligen Zeit,
und es iſt zum erſtaunen, wie lange und
wie feſt man daran hing, ohneracht es
nicht an Beyſpielen fehlen konnte, wo
die Prophezeyung fehlſchlug. Biſchöffe,
hohe Geiſtliche, berühmte Philoſophen
und Aerzte gaben ſich mit dem Nativi-
tätſtellen ab, man las ſogar auf Univer-
ſitäten Collegia darüber, ſo gut wie über
die Punktirkunſt und Cabala. Zum Be-
weiſe erlaube man mir ein Paar Worte
von dem berühmten Thurneiſen, dem
glänzendſten Phänomen dieſer Art, und
einem wirklich ausgezeichneten Men-
ſchen, zu ſagen. Er lebte im vorigen
Jahrhundert an dem Kurfürſtlichen Hofe
zu Berlin, und war Leibarzt, Chemiſt,
Nativitätſteller, Calendermacher, Buch-
drucker und Buchhändler, alles in einer
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Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797/46>, abgerufen am 24.11.2024.
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