Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797.

Bild:
<< vorherige Seite

er hinter seinem Spinnrade. Mit einem-
male bemerkte seine Tochter, dass er
nicht mehr spann. Sie sah also nach
ihm, und -- er war gestorben.

Billig sollten nun die Aerzte hier
auch eine vorzügliche Stelle behaupten,
welche die Mittel zum Leben und zur
Gesundheit so reichlich an andere aus-
spenden. Aber leider ist diess nicht
der Fall. -- Bey ihnen heists am mei-
sten: Aliis inserviendo consumuntur: aliis
medendo moriuntur
.

Wenigstens bey den practischen
Aerzten ist die Sterblichkeit sehr gross,
vielleicht grösser, als bey irgend einem
andern Metier. Sie können gerade am
wenigsten die Gesundheits- und Vor-
sichtsregeln beobachten, die sie andern
geben, und dann existiren wenige Be-
schäftigungen, wo Leibes- und Seelen-
consumtion zugleich so gross wäre, wie
in dieser. Kopf und Füsse müssen im-
mer gemeinschaftlich arbeiten. -- Doch

er hinter ſeinem Spinnrade. Mit einem-
male bemerkte ſeine Tochter, daſs er
nicht mehr ſpann. Sie ſah alſo nach
ihm, und — er war geſtorben.

Billig ſollten nun die Aerzte hier
auch eine vorzügliche Stelle behaupten,
welche die Mittel zum Leben und zur
Geſundheit ſo reichlich an andere aus-
ſpenden. Aber leider iſt dieſs nicht
der Fall. — Bey ihnen heiſts am mei-
ſten: Aliis inſerviendo conſumuntur: aliis
medendo moriuntur
.

Wenigſtens bey den practiſchen
Aerzten iſt die Sterblichkeit ſehr groſs,
vielleicht gröſser, als bey irgend einem
andern Metier. Sie können gerade am
wenigſten die Geſundheits- und Vor-
ſichtsregeln beobachten, die ſie andern
geben, und dann exiſtiren wenige Be-
ſchäftigungen, wo Leibes- und Seelen-
conſumtion zugleich ſo groſs wäre, wie
in dieſer. Kopf und Füſse müſſen im-
mer gemeinſchaftlich arbeiten. — Doch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0211" n="183"/>
er hinter &#x017F;einem Spinnrade. Mit einem-<lb/>
male bemerkte &#x017F;eine Tochter, da&#x017F;s er<lb/>
nicht mehr &#x017F;pann. Sie &#x017F;ah al&#x017F;o nach<lb/>
ihm, und &#x2014; er war ge&#x017F;torben.</p><lb/>
          <p>Billig &#x017F;ollten nun die Aerzte hier<lb/>
auch eine vorzügliche Stelle behaupten,<lb/>
welche die Mittel zum Leben und zur<lb/>
Ge&#x017F;undheit &#x017F;o reichlich an andere aus-<lb/>
&#x017F;penden. Aber leider i&#x017F;t die&#x017F;s nicht<lb/>
der Fall. &#x2014; Bey ihnen hei&#x017F;ts am mei-<lb/>
&#x017F;ten: <hi rendition="#i">Aliis in&#x017F;erviendo con&#x017F;umuntur: aliis<lb/>
medendo moriuntur</hi>.</p><lb/>
          <p>Wenig&#x017F;tens bey den practi&#x017F;chen<lb/>
Aerzten i&#x017F;t die Sterblichkeit &#x017F;ehr gro&#x017F;s,<lb/>
vielleicht grö&#x017F;ser, als bey irgend einem<lb/>
andern Metier. Sie können gerade am<lb/>
wenig&#x017F;ten die Ge&#x017F;undheits- und Vor-<lb/>
&#x017F;ichtsregeln beobachten, die &#x017F;ie andern<lb/>
geben, und dann exi&#x017F;tiren wenige Be-<lb/>
&#x017F;chäftigungen, wo Leibes- und Seelen-<lb/>
con&#x017F;umtion zugleich &#x017F;o gro&#x017F;s wäre, wie<lb/>
in die&#x017F;er. Kopf und Fü&#x017F;se mü&#x017F;&#x017F;en im-<lb/>
mer gemein&#x017F;chaftlich arbeiten. &#x2014; Doch<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[183/0211] er hinter ſeinem Spinnrade. Mit einem- male bemerkte ſeine Tochter, daſs er nicht mehr ſpann. Sie ſah alſo nach ihm, und — er war geſtorben. Billig ſollten nun die Aerzte hier auch eine vorzügliche Stelle behaupten, welche die Mittel zum Leben und zur Geſundheit ſo reichlich an andere aus- ſpenden. Aber leider iſt dieſs nicht der Fall. — Bey ihnen heiſts am mei- ſten: Aliis inſerviendo conſumuntur: aliis medendo moriuntur. Wenigſtens bey den practiſchen Aerzten iſt die Sterblichkeit ſehr groſs, vielleicht gröſser, als bey irgend einem andern Metier. Sie können gerade am wenigſten die Geſundheits- und Vor- ſichtsregeln beobachten, die ſie andern geben, und dann exiſtiren wenige Be- ſchäftigungen, wo Leibes- und Seelen- conſumtion zugleich ſo groſs wäre, wie in dieſer. Kopf und Füſse müſſen im- mer gemeinſchaftlich arbeiten. — Doch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797/211
Zitationshilfe: Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797/211>, abgerufen am 25.11.2024.