Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Huber, Franz C.: Die Geschichtliche Entwickelung des modernen Verkehrs. Tübingen, 1893.

Bild:
<< vorherige Seite

ist es vergeblich, nach einem "Erfinder" zu suchen, und un-
zulässig, von einer "Erfindung" zu sprechen. Es verhält
sich mit dieser "Erfindung" wie mit der eines jeden anderen
Verkehrsinstruments, z. B. mit der des Geldes: auch zur
Herausbildung des Geldes waren Jahrhunderte erforderlich;
die Erfindung des Geldes und seiner Umprägung dem lydi-
schen Gyges oder dem argivischen König Pheidon anzu-
dichten, ist ebenso widersinnig, als wenn die Erfindung
der Post dem Franz v. Taxis zugeschrieben wird. That-
sächlich galt es denn auch (wie für die römischen Kaiser)
für Taxis nicht, etwas Neues und Fertiges zu schaffen,
sondern nur eine stehende Privat-Einrichtung je nach den
wachsenden Bedürfnissen des sich mehr und mehr zentra-
lisierenden Staates allmählich auch für die Verwaltung
des Staates zu verwerten.

Hienach ist die Frage: wann erstand eine Post-Ein-
richtung? genauer dahin zu formulieren: wann zeigte sich ein
Bedürfnis nach einer engeren (postmässigen) Verbindung?
war damals die Strassentechnik und der allgemeine Ver-
kehr schon so weit vorangeschritten, dass eine solche
Verbindung hergestellt und auch aufrecht erhalten werden
konnte? Ein derartiges Bedürfnis nun wird sich zuerst
kundgeben aus militärischen bezw. politischen Rücksichten
für die Regierung, sodann aus wirtschaftlichen Gründen
zunächst für die Handelswelt und für seine ständige Fühlung
mit den Preis-Konjunkturen. Beide Faktoren, der militärische
wie der spekulativ-kommerzielle wurzeln in einem ge-
meinsamen Kulturprozess, nämlich in einer gesteigerten
Zentralisierung und Universalierung, d. h. in demjenigen
Kulturprozess, den man mit den Namen "Geldwirtschaft"
bezeichnet. In der allmählichen Herausgestaltung dieser
Geld- oder Verkehrs-Wirtschaft bildet bei den verschie-
denen Nationen die jeweilige Einführung der Post einen
bedeutsamen Abschnitt. Die Post gehört in erster Linie zu

Huber. 2

ist es vergeblich, nach einem »Erfinder« zu suchen, und un-
zulässig, von einer »Erfindung« zu sprechen. Es verhält
sich mit dieser »Erfindung« wie mit der eines jeden anderen
Verkehrsinstruments, z. B. mit der des Geldes: auch zur
Herausbildung des Geldes waren Jahrhunderte erforderlich;
die Erfindung des Geldes und seiner Umprägung dem lydi-
schen Gyges oder dem argivischen König Pheidon anzu-
dichten, ist ebenso widersinnig, als wenn die Erfindung
der Post dem Franz v. Taxis zugeschrieben wird. That-
sächlich galt es denn auch (wie für die römischen Kaiser)
für Taxis nicht, etwas Neues und Fertiges zu schaffen,
sondern nur eine stehende Privat-Einrichtung je nach den
wachsenden Bedürfnissen des sich mehr und mehr zentra-
lisierenden Staates allmählich auch für die Verwaltung
des Staates zu verwerten.

Hienach ist die Frage: wann erstand eine Post-Ein-
richtung? genauer dahin zu formulieren: wann zeigte sich ein
Bedürfnis nach einer engeren (postmässigen) Verbindung?
war damals die Strassentechnik und der allgemeine Ver-
kehr schon so weit vorangeschritten, dass eine solche
Verbindung hergestellt und auch aufrecht erhalten werden
konnte? Ein derartiges Bedürfnis nun wird sich zuerst
kundgeben aus militärischen bezw. politischen Rücksichten
für die Regierung, sodann aus wirtschaftlichen Gründen
zunächst für die Handelswelt und für seine ständige Fühlung
mit den Preis-Konjunkturen. Beide Faktoren, der militärische
wie der spekulativ-kommerzielle wurzeln in einem ge-
meinsamen Kulturprozess, nämlich in einer gesteigerten
Zentralisierung und Universalierung, d. h. in demjenigen
Kulturprozess, den man mit den Namen »Geldwirtschaft«
bezeichnet. In der allmählichen Herausgestaltung dieser
Geld- oder Verkehrs-Wirtschaft bildet bei den verschie-
denen Nationen die jeweilige Einführung der Post einen
bedeutsamen Abschnitt. Die Post gehört in erster Linie zu

Huber. 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0033" n="17"/>
ist es vergeblich, nach einem »Erfinder« zu suchen, und un-<lb/>
zulässig, von einer »Erfindung« zu sprechen. Es verhält<lb/>
sich mit dieser »Erfindung« wie mit der eines jeden anderen<lb/>
Verkehrsinstruments, z. B. mit der des Geldes: auch zur<lb/>
Herausbildung des Geldes waren Jahrhunderte erforderlich;<lb/>
die Erfindung des Geldes und seiner Umprägung dem lydi-<lb/>
schen Gyges oder dem argivischen König Pheidon anzu-<lb/>
dichten, ist ebenso widersinnig, als wenn die Erfindung<lb/>
der Post dem Franz v. Taxis zugeschrieben wird. That-<lb/>
sächlich galt es denn auch (wie für die römischen Kaiser)<lb/>
für Taxis nicht, etwas Neues und Fertiges zu schaffen,<lb/>
sondern nur eine stehende Privat-Einrichtung je nach den<lb/>
wachsenden Bedürfnissen des sich mehr und mehr zentra-<lb/>
lisierenden Staates allmählich auch für die Verwaltung<lb/>
des Staates zu verwerten.</p><lb/>
        <p>Hienach ist die Frage: wann erstand eine Post-Ein-<lb/>
richtung? genauer dahin zu formulieren: wann zeigte sich ein<lb/><hi rendition="#g">Bedürfnis</hi> nach einer engeren (postmässigen) Verbindung?<lb/>
war damals die Strassentechnik und der allgemeine Ver-<lb/>
kehr schon so weit vorangeschritten, dass eine solche<lb/>
Verbindung hergestellt und auch aufrecht erhalten werden<lb/>
konnte? Ein derartiges Bedürfnis nun wird sich zuerst<lb/>
kundgeben aus militärischen bezw. politischen Rücksichten<lb/>
für die Regierung, sodann aus wirtschaftlichen Gründen<lb/>
zunächst für die Handelswelt und für seine ständige Fühlung<lb/>
mit den Preis-Konjunkturen. Beide Faktoren, der militärische<lb/>
wie der spekulativ-kommerzielle wurzeln in einem ge-<lb/>
meinsamen Kulturprozess, nämlich in einer gesteigerten<lb/>
Zentralisierung und Universalierung, d. h. in demjenigen<lb/>
Kulturprozess, den man mit den Namen »Geldwirtschaft«<lb/>
bezeichnet. In der allmählichen Herausgestaltung dieser<lb/>
Geld- oder Verkehrs-Wirtschaft bildet bei den verschie-<lb/>
denen Nationen die jeweilige Einführung der Post einen<lb/>
bedeutsamen Abschnitt. Die Post gehört in erster Linie zu<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Huber</hi>. 2</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[17/0033] ist es vergeblich, nach einem »Erfinder« zu suchen, und un- zulässig, von einer »Erfindung« zu sprechen. Es verhält sich mit dieser »Erfindung« wie mit der eines jeden anderen Verkehrsinstruments, z. B. mit der des Geldes: auch zur Herausbildung des Geldes waren Jahrhunderte erforderlich; die Erfindung des Geldes und seiner Umprägung dem lydi- schen Gyges oder dem argivischen König Pheidon anzu- dichten, ist ebenso widersinnig, als wenn die Erfindung der Post dem Franz v. Taxis zugeschrieben wird. That- sächlich galt es denn auch (wie für die römischen Kaiser) für Taxis nicht, etwas Neues und Fertiges zu schaffen, sondern nur eine stehende Privat-Einrichtung je nach den wachsenden Bedürfnissen des sich mehr und mehr zentra- lisierenden Staates allmählich auch für die Verwaltung des Staates zu verwerten. Hienach ist die Frage: wann erstand eine Post-Ein- richtung? genauer dahin zu formulieren: wann zeigte sich ein Bedürfnis nach einer engeren (postmässigen) Verbindung? war damals die Strassentechnik und der allgemeine Ver- kehr schon so weit vorangeschritten, dass eine solche Verbindung hergestellt und auch aufrecht erhalten werden konnte? Ein derartiges Bedürfnis nun wird sich zuerst kundgeben aus militärischen bezw. politischen Rücksichten für die Regierung, sodann aus wirtschaftlichen Gründen zunächst für die Handelswelt und für seine ständige Fühlung mit den Preis-Konjunkturen. Beide Faktoren, der militärische wie der spekulativ-kommerzielle wurzeln in einem ge- meinsamen Kulturprozess, nämlich in einer gesteigerten Zentralisierung und Universalierung, d. h. in demjenigen Kulturprozess, den man mit den Namen »Geldwirtschaft« bezeichnet. In der allmählichen Herausgestaltung dieser Geld- oder Verkehrs-Wirtschaft bildet bei den verschie- denen Nationen die jeweilige Einführung der Post einen bedeutsamen Abschnitt. Die Post gehört in erster Linie zu Huber. 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/huber_verkehr_1893
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/huber_verkehr_1893/33
Zitationshilfe: Huber, Franz C.: Die Geschichtliche Entwickelung des modernen Verkehrs. Tübingen, 1893, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_verkehr_1893/33>, abgerufen am 19.04.2024.