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Huber, Franz C.: Die Geschichtliche Entwickelung des modernen Verkehrs. Tübingen, 1893.

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Liesse sich diese Hypothese, dass die französische Reitpost
nicht nur für das Wort, sondern auch für die ganze Einrichtung
der Taxis'schen Post als Vorgang gedient hat, näher erweisen,
so würden sich die Widersprüche zwischen Herba und Codogno,
sowie zwischen den Berichten M. Zeillers und L. Rems (s. oben
S. 170 und 180) von selbst auflösen. Wenn nämlich da l'Herba
seine Leser gar nicht auf die Postgelegenheit aufmerksam macht,
so geht hundert Jahr später M. Zeiller (1632 in seinem "Reyss-
buch"
und 1661 in seinem "Fidus Achates") noch weiter, dass
er wiederholt die Reisenden vor derselben warnt. Zudem war
1513 ausdrücklich der Taxis'schen Post eingeschärft worden,
dass sie von Privaten keine Briefe zur Beförderung annehmen
dürfe. Und doch ist nach dem Tagebuch L. Rems und nach
dem Wortlaut des Patents von 1516 nicht daran zu zweifeln,
dass von Anfang an die Taxis'sche Verwaltung die Vermietung
von Reitpferden an Reisende, die "cambiatura", bestimmungs-
gemäss betrieben, und auch ein angesehener Kaufmann, wie
L. Rem, sich dieser Mitpferde 1515 wiederholt bedient hat.
Wie lässt sich all das zusammenreimen? Die scheinbaren Wider-
sprüche erklären sich leicht nach dem französischen Betriebs-
system. Nach demselben nämlich wurde von 1480 an -- und
zwar für die grossen Transitrouten bis ins 18. Jhh. hinein --
die Uebermittelung der privaten Korrespondenz nur nebenbei
und ohne Garantie besorgt, als Hauptdienst aber für den all-
gemeinen Verkehr die Beförderung von Reisenden angesehen.
Die obige Hypothese nun, dass dasselbe Betriebs-Prinzip an-
fänglich auch bei der Taxis'schen Anstalt galt, findet eine hübsche
Stütze in einem Memorial einer Amtsstelle, welche von Anfang
an in einem engen Zusammenhange mit den Taxis gestanden
ist, nämlich der tyrolischen Kammer dd. 1579 an Erzherzog
Ferdinand, in welchem sie auseinandersetzt: das Muster für die
(Taxis'sche) Reitpost habe Ludwig XI., aber noch vor ihm die
Post der Sorbonne gegeben, die schon damals jedermann zu-
gänglich war, und die Unterhaltungskosten durch die Einnahmen
deckte. (Tyroler Stimmen, Jahrgg. 1891, No. 295). Diese fran-
zösische Betriebsart nun unterschied sich von der im 15. Jhh.
sonst in Deutschland und Italien üblichen so wesentlich, dass

Liesse sich diese Hypothese, dass die französische Reitpost
nicht nur für das Wort, sondern auch für die ganze Einrichtung
der Taxis’schen Post als Vorgang gedient hat, näher erweisen,
so würden sich die Widersprüche zwischen Herba und Codogno,
sowie zwischen den Berichten M. Zeillers und L. Rems (s. oben
S. 170 und 180) von selbst auflösen. Wenn nämlich da l’Herba
seine Leser gar nicht auf die Postgelegenheit aufmerksam macht,
so geht hundert Jahr später M. Zeiller (1632 in seinem »Reyss-
buch«
und 1661 in seinem »Fidus Achates«) noch weiter, dass
er wiederholt die Reisenden vor derselben warnt. Zudem war
1513 ausdrücklich der Taxis’schen Post eingeschärft worden,
dass sie von Privaten keine Briefe zur Beförderung annehmen
dürfe. Und doch ist nach dem Tagebuch L. Rems und nach
dem Wortlaut des Patents von 1516 nicht daran zu zweifeln,
dass von Anfang an die Taxis’sche Verwaltung die Vermietung
von Reitpferden an Reisende, die »cambiatura«, bestimmungs-
gemäss betrieben, und auch ein angesehener Kaufmann, wie
L. Rem, sich dieser Mitpferde 1515 wiederholt bedient hat.
Wie lässt sich all das zusammenreimen? Die scheinbaren Wider-
sprüche erklären sich leicht nach dem französischen Betriebs-
system. Nach demselben nämlich wurde von 1480 an — und
zwar für die grossen Transitrouten bis ins 18. Jhh. hinein —
die Uebermittelung der privaten Korrespondenz nur nebenbei
und ohne Garantie besorgt, als Hauptdienst aber für den all-
gemeinen Verkehr die Beförderung von Reisenden angesehen.
Die obige Hypothese nun, dass dasselbe Betriebs-Prinzip an-
fänglich auch bei der Taxis’schen Anstalt galt, findet eine hübsche
Stütze in einem Memorial einer Amtsstelle, welche von Anfang
an in einem engen Zusammenhange mit den Taxis gestanden
ist, nämlich der tyrolischen Kammer dd. 1579 an Erzherzog
Ferdinand, in welchem sie auseinandersetzt: das Muster für die
(Taxis’sche) Reitpost habe Ludwig XI., aber noch vor ihm die
Post der Sorbonne gegeben, die schon damals jedermann zu-
gänglich war, und die Unterhaltungskosten durch die Einnahmen
deckte. (Tyroler Stimmen, Jahrgg. 1891, No. 295). Diese fran-
zösische Betriebsart nun unterschied sich von der im 15. Jhh.
sonst in Deutschland und Italien üblichen so wesentlich, dass

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[189/0205] Liesse sich diese Hypothese, dass die französische Reitpost nicht nur für das Wort, sondern auch für die ganze Einrichtung der Taxis’schen Post als Vorgang gedient hat, näher erweisen, so würden sich die Widersprüche zwischen Herba und Codogno, sowie zwischen den Berichten M. Zeillers und L. Rems (s. oben S. 170 und 180) von selbst auflösen. Wenn nämlich da l’Herba seine Leser gar nicht auf die Postgelegenheit aufmerksam macht, so geht hundert Jahr später M. Zeiller (1632 in seinem »Reyss- buch« und 1661 in seinem »Fidus Achates«) noch weiter, dass er wiederholt die Reisenden vor derselben warnt. Zudem war 1513 ausdrücklich der Taxis’schen Post eingeschärft worden, dass sie von Privaten keine Briefe zur Beförderung annehmen dürfe. Und doch ist nach dem Tagebuch L. Rems und nach dem Wortlaut des Patents von 1516 nicht daran zu zweifeln, dass von Anfang an die Taxis’sche Verwaltung die Vermietung von Reitpferden an Reisende, die »cambiatura«, bestimmungs- gemäss betrieben, und auch ein angesehener Kaufmann, wie L. Rem, sich dieser Mitpferde 1515 wiederholt bedient hat. Wie lässt sich all das zusammenreimen? Die scheinbaren Wider- sprüche erklären sich leicht nach dem französischen Betriebs- system. Nach demselben nämlich wurde von 1480 an — und zwar für die grossen Transitrouten bis ins 18. Jhh. hinein — die Uebermittelung der privaten Korrespondenz nur nebenbei und ohne Garantie besorgt, als Hauptdienst aber für den all- gemeinen Verkehr die Beförderung von Reisenden angesehen. Die obige Hypothese nun, dass dasselbe Betriebs-Prinzip an- fänglich auch bei der Taxis’schen Anstalt galt, findet eine hübsche Stütze in einem Memorial einer Amtsstelle, welche von Anfang an in einem engen Zusammenhange mit den Taxis gestanden ist, nämlich der tyrolischen Kammer dd. 1579 an Erzherzog Ferdinand, in welchem sie auseinandersetzt: das Muster für die (Taxis’sche) Reitpost habe Ludwig XI., aber noch vor ihm die Post der Sorbonne gegeben, die schon damals jedermann zu- gänglich war, und die Unterhaltungskosten durch die Einnahmen deckte. (Tyroler Stimmen, Jahrgg. 1891, No. 295). Diese fran- zösische Betriebsart nun unterschied sich von der im 15. Jhh. sonst in Deutschland und Italien üblichen so wesentlich, dass

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Zitationshilfe: Huber, Franz C.: Die Geschichtliche Entwickelung des modernen Verkehrs. Tübingen, 1893, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_verkehr_1893/205>, abgerufen am 22.11.2024.