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Huber, Franz C.: Die Geschichtliche Entwickelung des modernen Verkehrs. Tübingen, 1893.

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(welche dem Wasserbezug eigen ist) und, da sich vor etwaigen
Wegelagerern ausbiegen liess das Moment der Sicherheit.

Der sinnende Geist und der Wagemut nützen dieses Natur-
geschenk (der Wasserstrasse) in werbendes National-Kapital
und zwar vermittelst des Handels um. Frühzeitig waren da-
her Nil und Euphrat, als die Pulsadern des Welthandels
belebt. "Der unausgesetzte Widerstreit zwischen den Lagiden
und den Seleuciden, sagt Mommsen, ist zugleich ein Kampf des
Nils gegen den Euphrat (scil. um die Welthandelsstrasse); dieser
ist im Besitz; jener der Prätendent" 1). --

Die weitere Entwickelung der Kultur nimmt sodann die
Richtung, dass die alten historischen Ströme "konkurrenziert"
werden, vom Seeweg, der billigsten und freiesten Weltstrasse.
Anfänglich stehen die Wasserstrassen ohne Konkurrenz da: sie
vereinigen in sich alle Verkehrsvorteile und zugleich allen Ver-
kehr, sie schaffen eine Verkehrswelt, welche im Binnenland sich

curator "ad naves vagas"). Venedig, Siena, Pisa, Genua hatten frühzeitig
eine Schiffspost nach Konstantinopel, Alexandrien und Kairo, welche Hör-
nigk mit Recht in seinem Werke "de jure postarum" (Wien 1638 bezw.
1649) anzieht. Nachweisbar bestand ferner auf den oberitalienischen Flüssen
schon im 16. Jhh. ein regelmässiger Barkendienst. Ebenso hatten die
Städte am Rhein, an der Oder, an der Elbe, wie Strassburg, Köln,
Mainz, Magdeburg schon im 13. Jhh. ihre regelmässig kursierenden Markt-
oder Ordinarischiffe; vergl. Benetti S. 45 und 25 "de posta navali", Rau-
mers Historisches Taschenbuch, S. 368, 321, 288, 304. Ueber die uralte
Einrichtung der Postschiffe in China berichtet das Postarchiv von 1878, S. 12.
1) Die Kultur und die materielle Grundlage nicht nur der ägyptischen
und indischen, sondern auch der chinesischen Reiche, also die Civilisation
der gesamten Alten Welt beruht zum Teil auf der Notwendigkeit der Re-
gulierung, zum Teil auf dem Handelsverkehr der vier Stromgebiete -- (die
zugleich die vier Grenzgebiete Asiens sind) -- nämlich des Hoangho und
Yang-tse-Kiang (China), des Nil (Aegypten), Euphrat und Tigris (Babylonien).
Während der ersten dritthalbtausend Jahre der Weltgeschichte, von der
sagenhaften Heroenzeit bis herab zu den Tagen Ludwigs des XIV. (in
welchen ein wirkliches Strassensystem allmählich entstand), angefangen von
den Zeiten des Perikles, Scipio, Cäsar, Nervas und Trajans, durch die
Kreuzzüge, die Blüte der Hansa, Venedigs und Genuas hindurch bis herab
zu den Thaten der Konquistadoren in Amerika, der Portugiesen in Ostin-
dien -- hat sich die Civilisation nur auf Wasserpfaden bewegt.
Die gleiche Entwickelung der Fluss-Civilisation wie an diesen "alten"
Strömen, kann man später auch am Rhein und an der Donau verfolgen.

(welche dem Wasserbezug eigen ist) und, da sich vor etwaigen
Wegelagerern ausbiegen liess das Moment der Sicherheit.

Der sinnende Geist und der Wagemut nützen dieses Natur-
geschenk (der Wasserstrasse) in werbendes National-Kapital
und zwar vermittelst des Handels um. Frühzeitig waren da-
her Nil und Euphrat, als die Pulsadern des Welthandels
belebt. »Der unausgesetzte Widerstreit zwischen den Lagiden
und den Seleuciden, sagt Mommsen, ist zugleich ein Kampf des
Nils gegen den Euphrat (scil. um die Welthandelsstrasse); dieser
ist im Besitz; jener der Prätendent« 1). —

Die weitere Entwickelung der Kultur nimmt sodann die
Richtung, dass die alten historischen Ströme »konkurrenziert«
werden, vom Seeweg, der billigsten und freiesten Weltstrasse.
Anfänglich stehen die Wasserstrassen ohne Konkurrenz da: sie
vereinigen in sich alle Verkehrsvorteile und zugleich allen Ver-
kehr, sie schaffen eine Verkehrswelt, welche im Binnenland sich

curator »ad naves vagas«). Venedig, Siena, Pisa, Genua hatten frühzeitig
eine Schiffspost nach Konstantinopel, Alexandrien und Kairo, welche Hör-
nigk mit Recht in seinem Werke »de jure postarum« (Wien 1638 bezw.
1649) anzieht. Nachweisbar bestand ferner auf den oberitalienischen Flüssen
schon im 16. Jhh. ein regelmässiger Barkendienst. Ebenso hatten die
Städte am Rhein, an der Oder, an der Elbe, wie Strassburg, Köln,
Mainz, Magdeburg schon im 13. Jhh. ihre regelmässig kursierenden Markt-
oder Ordinarischiffe; vergl. Benetti S. 45 und 25 »de posta navali«, Rau-
mers Historisches Taschenbuch, S. 368, 321, 288, 304. Ueber die uralte
Einrichtung der Postschiffe in China berichtet das Postarchiv von 1878, S. 12.
1) Die Kultur und die materielle Grundlage nicht nur der ägyptischen
und indischen, sondern auch der chinesischen Reiche, also die Civilisation
der gesamten Alten Welt beruht zum Teil auf der Notwendigkeit der Re-
gulierung, zum Teil auf dem Handelsverkehr der vier Stromgebiete — (die
zugleich die vier Grenzgebiete Asiens sind) — nämlich des Hoangho und
Yang-tse-Kiang (China), des Nil (Aegypten), Euphrat und Tigris (Babylonien).
Während der ersten dritthalbtausend Jahre der Weltgeschichte, von der
sagenhaften Heroenzeit bis herab zu den Tagen Ludwigs des XIV. (in
welchen ein wirkliches Strassensystem allmählich entstand), angefangen von
den Zeiten des Perikles, Scipio, Cäsar, Nervas und Trajans, durch die
Kreuzzüge, die Blüte der Hansa, Venedigs und Genuas hindurch bis herab
zu den Thaten der Konquistadoren in Amerika, der Portugiesen in Ostin-
dien — hat sich die Civilisation nur auf Wasserpfaden bewegt.
Die gleiche Entwickelung der Fluss-Civilisation wie an diesen »alten«
Strömen, kann man später auch am Rhein und an der Donau verfolgen.
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[136/0152] (welche dem Wasserbezug eigen ist) und, da sich vor etwaigen Wegelagerern ausbiegen liess das Moment der Sicherheit. Der sinnende Geist und der Wagemut nützen dieses Natur- geschenk (der Wasserstrasse) in werbendes National-Kapital und zwar vermittelst des Handels um. Frühzeitig waren da- her Nil und Euphrat, als die Pulsadern des Welthandels belebt. »Der unausgesetzte Widerstreit zwischen den Lagiden und den Seleuciden, sagt Mommsen, ist zugleich ein Kampf des Nils gegen den Euphrat (scil. um die Welthandelsstrasse); dieser ist im Besitz; jener der Prätendent« 1). — Die weitere Entwickelung der Kultur nimmt sodann die Richtung, dass die alten historischen Ströme »konkurrenziert« werden, vom Seeweg, der billigsten und freiesten Weltstrasse. Anfänglich stehen die Wasserstrassen ohne Konkurrenz da: sie vereinigen in sich alle Verkehrsvorteile und zugleich allen Ver- kehr, sie schaffen eine Verkehrswelt, welche im Binnenland sich 2) 1) Die Kultur und die materielle Grundlage nicht nur der ägyptischen und indischen, sondern auch der chinesischen Reiche, also die Civilisation der gesamten Alten Welt beruht zum Teil auf der Notwendigkeit der Re- gulierung, zum Teil auf dem Handelsverkehr der vier Stromgebiete — (die zugleich die vier Grenzgebiete Asiens sind) — nämlich des Hoangho und Yang-tse-Kiang (China), des Nil (Aegypten), Euphrat und Tigris (Babylonien). Während der ersten dritthalbtausend Jahre der Weltgeschichte, von der sagenhaften Heroenzeit bis herab zu den Tagen Ludwigs des XIV. (in welchen ein wirkliches Strassensystem allmählich entstand), angefangen von den Zeiten des Perikles, Scipio, Cäsar, Nervas und Trajans, durch die Kreuzzüge, die Blüte der Hansa, Venedigs und Genuas hindurch bis herab zu den Thaten der Konquistadoren in Amerika, der Portugiesen in Ostin- dien — hat sich die Civilisation nur auf Wasserpfaden bewegt. Die gleiche Entwickelung der Fluss-Civilisation wie an diesen »alten« Strömen, kann man später auch am Rhein und an der Donau verfolgen. 2) curator »ad naves vagas«). Venedig, Siena, Pisa, Genua hatten frühzeitig eine Schiffspost nach Konstantinopel, Alexandrien und Kairo, welche Hör- nigk mit Recht in seinem Werke »de jure postarum« (Wien 1638 bezw. 1649) anzieht. Nachweisbar bestand ferner auf den oberitalienischen Flüssen schon im 16. Jhh. ein regelmässiger Barkendienst. Ebenso hatten die Städte am Rhein, an der Oder, an der Elbe, wie Strassburg, Köln, Mainz, Magdeburg schon im 13. Jhh. ihre regelmässig kursierenden Markt- oder Ordinarischiffe; vergl. Benetti S. 45 und 25 »de posta navali«, Rau- mers Historisches Taschenbuch, S. 368, 321, 288, 304. Ueber die uralte Einrichtung der Postschiffe in China berichtet das Postarchiv von 1878, S. 12.

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Zitationshilfe: Huber, Franz C.: Die Geschichtliche Entwickelung des modernen Verkehrs. Tübingen, 1893, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_verkehr_1893/152>, abgerufen am 30.04.2024.