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Huber, Franz C.: Die Geschichtliche Entwickelung des modernen Verkehrs. Tübingen, 1893.

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nicht entwickeln konnte. Nun lernen aber die Völker an den
Gestaden des Mittelmeers die Küsten- und Hochseeschifferei,
sie streben auseinander und zusammen und bringen es zu einer
gemeinsamen Kulturwelt: es erfolgt der Eintritt Karthagos und
Griechenlands in den Welthandel und die Erweiterung der
Flusscivilisation zu einer universalen Welt- (genauer Mittelmeer-)
Civilisation, es beginnt die eigentliche Weltgeschichte.

Von da an erweist sich der Seehandel -- insofern haben
die Merkantilisten Recht -- als die Hauptquelle der wirtschaft-
lichen Wohlfahrt und der politischen Macht eines Volkes: höchste
Kulturblüte ist immer mit dem raschen Aufschwung dieses Handels
verknüpft. Wir sehen, wie die Weltstrasse und der Mittelmeer-
handel von Osten nach Westen, damit aber auch die politische
Machtstellung von den Phöniziern im 6. Jahrhundert auf das
Perserreich, von da unter Alexander dem Grossen auf die
Griechen übergeht. Nach der Einnahme von Tyrus schlug der
indische Handel den Landweg ein; das so blühende Babylon
gieng dadurch unter, Susa und Ekbatana hoben sich, weil über
sie der Landweg von Indien nach dem mittelländischen Meere
führte. Das neu gegründete Alexandrien wurde rasch eine
reiche Stadt, weil es zum Stapelplatz wurde für die durch das
arabische Meer nach Europa eingeführten Erzeugnisse Indiens.

Auf der andern Seite des Mittelmeers hatte Karthago das
westliche Becken des Mittelmeers kolonisiert und ausgebeutet;
es schien für die Entdeckerrolle, welche Portugal in der Welt-
geschichte errungen hat, bestimmt zu sein. Durch seine Zer-
störung wurde der Mittelmeer-Verkehr wieder mehr auf den
östlichen Teil, auf die Levante eingeschränkt, (die Versuche
des Kaisers Augustus, ein neues Karthago neben dem alten er-
stehen zu lassen, gelangen nicht, weil ihm hiezu der alte Stamm
kühner, beherzter Seefahrer und Handelsleute fehlte).

Die römische Weltherrschaft machte Rom zum Haupthandels-
platz und zum Verkehrszentrum für die morgenländischen Waren.
Die römische Nation liebte mehr das Festland als das Meer,
war auch infolge der Anhäufung des aus den Seestaaten Aegyp-
ten, Karthago, Griechenland zusammengeraubten Reichtums
für wagende See-Abenteuer weniger disponiert, zudem durch die

nicht entwickeln konnte. Nun lernen aber die Völker an den
Gestaden des Mittelmeers die Küsten- und Hochseeschifferei,
sie streben auseinander und zusammen und bringen es zu einer
gemeinsamen Kulturwelt: es erfolgt der Eintritt Karthagos und
Griechenlands in den Welthandel und die Erweiterung der
Flusscivilisation zu einer universalen Welt- (genauer Mittelmeer-)
Civilisation, es beginnt die eigentliche Weltgeschichte.

Von da an erweist sich der Seehandel — insofern haben
die Merkantilisten Recht — als die Hauptquelle der wirtschaft-
lichen Wohlfahrt und der politischen Macht eines Volkes: höchste
Kulturblüte ist immer mit dem raschen Aufschwung dieses Handels
verknüpft. Wir sehen, wie die Weltstrasse und der Mittelmeer-
handel von Osten nach Westen, damit aber auch die politische
Machtstellung von den Phöniziern im 6. Jahrhundert auf das
Perserreich, von da unter Alexander dem Grossen auf die
Griechen übergeht. Nach der Einnahme von Tyrus schlug der
indische Handel den Landweg ein; das so blühende Babylon
gieng dadurch unter, Susa und Ekbatana hoben sich, weil über
sie der Landweg von Indien nach dem mittelländischen Meere
führte. Das neu gegründete Alexandrien wurde rasch eine
reiche Stadt, weil es zum Stapelplatz wurde für die durch das
arabische Meer nach Europa eingeführten Erzeugnisse Indiens.

Auf der andern Seite des Mittelmeers hatte Karthago das
westliche Becken des Mittelmeers kolonisiert und ausgebeutet;
es schien für die Entdeckerrolle, welche Portugal in der Welt-
geschichte errungen hat, bestimmt zu sein. Durch seine Zer-
störung wurde der Mittelmeer-Verkehr wieder mehr auf den
östlichen Teil, auf die Levante eingeschränkt, (die Versuche
des Kaisers Augustus, ein neues Karthago neben dem alten er-
stehen zu lassen, gelangen nicht, weil ihm hiezu der alte Stamm
kühner, beherzter Seefahrer und Handelsleute fehlte).

Die römische Weltherrschaft machte Rom zum Haupthandels-
platz und zum Verkehrszentrum für die morgenländischen Waren.
Die römische Nation liebte mehr das Festland als das Meer,
war auch infolge der Anhäufung des aus den Seestaaten Aegyp-
ten, Karthago, Griechenland zusammengeraubten Reichtums
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[137/0153] nicht entwickeln konnte. Nun lernen aber die Völker an den Gestaden des Mittelmeers die Küsten- und Hochseeschifferei, sie streben auseinander und zusammen und bringen es zu einer gemeinsamen Kulturwelt: es erfolgt der Eintritt Karthagos und Griechenlands in den Welthandel und die Erweiterung der Flusscivilisation zu einer universalen Welt- (genauer Mittelmeer-) Civilisation, es beginnt die eigentliche Weltgeschichte. Von da an erweist sich der Seehandel — insofern haben die Merkantilisten Recht — als die Hauptquelle der wirtschaft- lichen Wohlfahrt und der politischen Macht eines Volkes: höchste Kulturblüte ist immer mit dem raschen Aufschwung dieses Handels verknüpft. Wir sehen, wie die Weltstrasse und der Mittelmeer- handel von Osten nach Westen, damit aber auch die politische Machtstellung von den Phöniziern im 6. Jahrhundert auf das Perserreich, von da unter Alexander dem Grossen auf die Griechen übergeht. Nach der Einnahme von Tyrus schlug der indische Handel den Landweg ein; das so blühende Babylon gieng dadurch unter, Susa und Ekbatana hoben sich, weil über sie der Landweg von Indien nach dem mittelländischen Meere führte. Das neu gegründete Alexandrien wurde rasch eine reiche Stadt, weil es zum Stapelplatz wurde für die durch das arabische Meer nach Europa eingeführten Erzeugnisse Indiens. Auf der andern Seite des Mittelmeers hatte Karthago das westliche Becken des Mittelmeers kolonisiert und ausgebeutet; es schien für die Entdeckerrolle, welche Portugal in der Welt- geschichte errungen hat, bestimmt zu sein. Durch seine Zer- störung wurde der Mittelmeer-Verkehr wieder mehr auf den östlichen Teil, auf die Levante eingeschränkt, (die Versuche des Kaisers Augustus, ein neues Karthago neben dem alten er- stehen zu lassen, gelangen nicht, weil ihm hiezu der alte Stamm kühner, beherzter Seefahrer und Handelsleute fehlte). Die römische Weltherrschaft machte Rom zum Haupthandels- platz und zum Verkehrszentrum für die morgenländischen Waren. Die römische Nation liebte mehr das Festland als das Meer, war auch infolge der Anhäufung des aus den Seestaaten Aegyp- ten, Karthago, Griechenland zusammengeraubten Reichtums für wagende See-Abenteuer weniger disponiert, zudem durch die

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Zitationshilfe: Huber, Franz C.: Die Geschichtliche Entwickelung des modernen Verkehrs. Tübingen, 1893, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_verkehr_1893/153>, abgerufen am 30.04.2024.