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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811.

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fürstlichen Zimmer besuchen zu dürfen, prägt dem
Volk wohl das Gefühl der Entfernung zwischen
dem Fürsten und sich selbst ein, erweckt aber nicht
die Liebe zu den schönen Dingen in ihm, welche
jede Ahndung von Eigenthum begleitet. Was in
der Kirche und auf dem Rathhause steht, zu dem
denkt es sich ein wirkliches Recht zu haben. Und
die schönen Juwelen blitzender Monstranzen, die
Leuchter und Becher! Da kann ein Künstler mehr
Kunst anbringen, wie an einem ganzen Tafelser-
vice, welches dem Volke nie vor Augen kommt,
oder auf dem der Hungrige nur gierig eine leckere
Schüssel vorbeitragen sieht. "Eure Tempel
glänzten gleich Pallästen" -- diese Kirchen glän-
zen noch zuweilen, wenn die Sonne auf die
Schmaragden des Allerheiligsten strahlt, und die
Fahnen beim Schall der Posaune in die Luft flat-
tern. -- Da stand ein großer silber Kasten, der
die Ueberreste -- ich weiß nicht welches, ziemlich
neuen Heiligen enthielt, denn so viel ich verstand,
war er in den Bewegungen der holländischen Frei-
heitskriege ermordert. -- Gott behüte mich doch
vor den Heiligen, die eine christliche Kirche der
andern verschafft hat! -- Die getriebene Arbeit
dieses Kunstwerks ist herrlich! der Zeit nach konnte

fuͤrſtlichen Zimmer beſuchen zu duͤrfen, praͤgt dem
Volk wohl das Gefuͤhl der Entfernung zwiſchen
dem Fuͤrſten und ſich ſelbſt ein, erweckt aber nicht
die Liebe zu den ſchoͤnen Dingen in ihm, welche
jede Ahndung von Eigenthum begleitet. Was in
der Kirche und auf dem Rathhauſe ſteht, zu dem
denkt es ſich ein wirkliches Recht zu haben. Und
die ſchoͤnen Juwelen blitzender Monſtranzen, die
Leuchter und Becher! Da kann ein Kuͤnſtler mehr
Kunſt anbringen, wie an einem ganzen Tafelſer-
vice, welches dem Volke nie vor Augen kommt,
oder auf dem der Hungrige nur gierig eine leckere
Schuͤſſel vorbeitragen ſieht. „Eure Tempel
glaͤnzten gleich Pallaͤſten“ — dieſe Kirchen glaͤn-
zen noch zuweilen, wenn die Sonne auf die
Schmaragden des Allerheiligſten ſtrahlt, und die
Fahnen beim Schall der Poſaune in die Luft flat-
tern. — Da ſtand ein großer ſilber Kaſten, der
die Ueberreſte — ich weiß nicht welches, ziemlich
neuen Heiligen enthielt, denn ſo viel ich verſtand,
war er in den Bewegungen der hollaͤndiſchen Frei-
heitskriege ermordert. — Gott behuͤte mich doch
vor den Heiligen, die eine chriſtliche Kirche der
andern verſchafft hat! — Die getriebene Arbeit
dieſes Kunſtwerks iſt herrlich! der Zeit nach konnte

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[71/0085] fuͤrſtlichen Zimmer beſuchen zu duͤrfen, praͤgt dem Volk wohl das Gefuͤhl der Entfernung zwiſchen dem Fuͤrſten und ſich ſelbſt ein, erweckt aber nicht die Liebe zu den ſchoͤnen Dingen in ihm, welche jede Ahndung von Eigenthum begleitet. Was in der Kirche und auf dem Rathhauſe ſteht, zu dem denkt es ſich ein wirkliches Recht zu haben. Und die ſchoͤnen Juwelen blitzender Monſtranzen, die Leuchter und Becher! Da kann ein Kuͤnſtler mehr Kunſt anbringen, wie an einem ganzen Tafelſer- vice, welches dem Volke nie vor Augen kommt, oder auf dem der Hungrige nur gierig eine leckere Schuͤſſel vorbeitragen ſieht. „Eure Tempel glaͤnzten gleich Pallaͤſten“ — dieſe Kirchen glaͤn- zen noch zuweilen, wenn die Sonne auf die Schmaragden des Allerheiligſten ſtrahlt, und die Fahnen beim Schall der Poſaune in die Luft flat- tern. — Da ſtand ein großer ſilber Kaſten, der die Ueberreſte — ich weiß nicht welches, ziemlich neuen Heiligen enthielt, denn ſo viel ich verſtand, war er in den Bewegungen der hollaͤndiſchen Frei- heitskriege ermordert. — Gott behuͤte mich doch vor den Heiligen, die eine chriſtliche Kirche der andern verſchafft hat! — Die getriebene Arbeit dieſes Kunſtwerks iſt herrlich! der Zeit nach konnte

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Zitationshilfe: Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/85>, abgerufen am 24.11.2024.