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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811.

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ruderte das Schiff fort, die beiden Verstümmel-
ten zurücklassend, ihre Bündel nahmen sie mit,
die wollten sie in Koblenz ans Land werfen, es
würde nichts darin seyn, das zum Stehlen verführ-
te. Ich setze gar nichts hinzu. -- Möchte doch
aber von diesen Männern, einer oder der andere,
wenn ihm vielleicht in wenig Wochen die Reihe
trifft gegen den Feind zu ziehen, möchte er in eure
Nähe kommen, meine Lieben, möchtet ihr eure
Pflichten als Menschen und Bürger gegen ihn er-
füllen können, wie ihr es gegen so viele, viele
thatet. Vielleicht dächte er dann, gelabt, ge-
pflegt, seine zerschmetterten Glieder von eurer
Hand unterstützt -- vielleicht dächte er dann an
seine niedrige Härte gegen seine Mitbürger in Bop-
part. Besonders die beiden Ladendiener, die ge-
stern empfindsame Verse abgeschrieben hatten, er-
regten meinen Unwillen, die waren jung und hat-
ten den vergangnen Abend bei einigen Flaschen gu-
ten Rheinwein verlebt, aber bei dem Warten einer
halben Stunde fiel es keinem ein, hinzuspringen und
die Säumenden zu rufen, und wie bei der Ankunft
die Lahmen im tiefen Sande strauchelten, lachten
sie läppisch über die komischen Geberden, und kei-
ner bot ihnen den Arm.


ruderte das Schiff fort, die beiden Verſtuͤmmel-
ten zuruͤcklaſſend, ihre Buͤndel nahmen ſie mit,
die wollten ſie in Koblenz ans Land werfen, es
wuͤrde nichts darin ſeyn, das zum Stehlen verfuͤhr-
te. Ich ſetze gar nichts hinzu. — Moͤchte doch
aber von dieſen Maͤnnern, einer oder der andere,
wenn ihm vielleicht in wenig Wochen die Reihe
trifft gegen den Feind zu ziehen, moͤchte er in eure
Naͤhe kommen, meine Lieben, moͤchtet ihr eure
Pflichten als Menſchen und Buͤrger gegen ihn er-
fuͤllen koͤnnen, wie ihr es gegen ſo viele, viele
thatet. Vielleicht daͤchte er dann, gelabt, ge-
pflegt, ſeine zerſchmetterten Glieder von eurer
Hand unterſtuͤtzt — vielleicht daͤchte er dann an
ſeine niedrige Haͤrte gegen ſeine Mitbuͤrger in Bop-
part. Beſonders die beiden Ladendiener, die ge-
ſtern empfindſame Verſe abgeſchrieben hatten, er-
regten meinen Unwillen, die waren jung und hat-
ten den vergangnen Abend bei einigen Flaſchen gu-
ten Rheinwein verlebt, aber bei dem Warten einer
halben Stunde fiel es keinem ein, hinzuſpringen und
die Saͤumenden zu rufen, und wie bei der Ankunft
die Lahmen im tiefen Sande ſtrauchelten, lachten
ſie laͤppiſch uͤber die komiſchen Geberden, und kei-
ner bot ihnen den Arm.


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[55/0069] ruderte das Schiff fort, die beiden Verſtuͤmmel- ten zuruͤcklaſſend, ihre Buͤndel nahmen ſie mit, die wollten ſie in Koblenz ans Land werfen, es wuͤrde nichts darin ſeyn, das zum Stehlen verfuͤhr- te. Ich ſetze gar nichts hinzu. — Moͤchte doch aber von dieſen Maͤnnern, einer oder der andere, wenn ihm vielleicht in wenig Wochen die Reihe trifft gegen den Feind zu ziehen, moͤchte er in eure Naͤhe kommen, meine Lieben, moͤchtet ihr eure Pflichten als Menſchen und Buͤrger gegen ihn er- fuͤllen koͤnnen, wie ihr es gegen ſo viele, viele thatet. Vielleicht daͤchte er dann, gelabt, ge- pflegt, ſeine zerſchmetterten Glieder von eurer Hand unterſtuͤtzt — vielleicht daͤchte er dann an ſeine niedrige Haͤrte gegen ſeine Mitbuͤrger in Bop- part. Beſonders die beiden Ladendiener, die ge- ſtern empfindſame Verſe abgeſchrieben hatten, er- regten meinen Unwillen, die waren jung und hat- ten den vergangnen Abend bei einigen Flaſchen gu- ten Rheinwein verlebt, aber bei dem Warten einer halben Stunde fiel es keinem ein, hinzuſpringen und die Saͤumenden zu rufen, und wie bei der Ankunft die Lahmen im tiefen Sande ſtrauchelten, lachten ſie laͤppiſch uͤber die komiſchen Geberden, und kei- ner bot ihnen den Arm.

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Zitationshilfe: Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/69>, abgerufen am 24.11.2024.