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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811.

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Kraft. Hier stand ich allein, dem Verderben im
Angesicht, denn das furchtbare Element, dessen
Treiben ich zu unterscheiden anfing, deutete auf
eine zerstörte, nicht eine zu erwartende Schöpfung.

Der Wind heulte in meinem Gewande, daß
ich meine eigne Stimme nicht hörte; er drohte mir
zweimal, mich niederzuwerfen, wie ich unvorsich-
tig auf der Fußspitze auf dem nassen Sand einher-
laufen wollte. Ferner und näher, rechts und links
und vor mir, hörte ich das Fallen einzelner Was-
serströme, die das fortwährende Rauschen der Wo-
gen unterbrachen, ich faßte Fuß an einer großen
Fischerbarke, die durch die Ebbe aufs Trockne ge-
setzt war, und suchte mich mit den Gegenständen
um mich her zu befreunden.

Jetze sah ich graue Mauern vor mir aufsteigen
in parallelen Streifen vor dem Sturme her aus
Nordwest; der Ursprung jeder von der andern an
Zeit und Länge verschieden. Die graue Mauer
wuchs und erhob sich, ward immer dunkler, je
höher sie stieg, den wolkenschweren Himmel über
sich, unsichere Sonnenhelle durch ihn hervorbre-
chend, schon tief in Westen. Nun kräuselte weis-
ser Schaum auf der Zinne der grauen Mauer, und
der Schaum wuchs, und stieg höher und höher,

Kraft. Hier ſtand ich allein, dem Verderben im
Angeſicht, denn das furchtbare Element, deſſen
Treiben ich zu unterſcheiden anfing, deutete auf
eine zerſtoͤrte, nicht eine zu erwartende Schoͤpfung.

Der Wind heulte in meinem Gewande, daß
ich meine eigne Stimme nicht hoͤrte; er drohte mir
zweimal, mich niederzuwerfen, wie ich unvorſich-
tig auf der Fußſpitze auf dem naſſen Sand einher-
laufen wollte. Ferner und naͤher, rechts und links
und vor mir, hoͤrte ich das Fallen einzelner Waſ-
ſerſtroͤme, die das fortwaͤhrende Rauſchen der Wo-
gen unterbrachen, ich faßte Fuß an einer großen
Fiſcherbarke, die durch die Ebbe aufs Trockne ge-
ſetzt war, und ſuchte mich mit den Gegenſtaͤnden
um mich her zu befreunden.

Jetze ſah ich graue Mauern vor mir aufſteigen
in parallelen Streifen vor dem Sturme her aus
Nordweſt; der Urſprung jeder von der andern an
Zeit und Laͤnge verſchieden. Die graue Mauer
wuchs und erhob ſich, ward immer dunkler, je
hoͤher ſie ſtieg, den wolkenſchweren Himmel uͤber
ſich, unſichere Sonnenhelle durch ihn hervorbre-
chend, ſchon tief in Weſten. Nun kraͤuſelte weiſ-
ſer Schaum auf der Zinne der grauen Mauer, und
der Schaum wuchs, und ſtieg hoͤher und hoͤher,

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[342/0356] Kraft. Hier ſtand ich allein, dem Verderben im Angeſicht, denn das furchtbare Element, deſſen Treiben ich zu unterſcheiden anfing, deutete auf eine zerſtoͤrte, nicht eine zu erwartende Schoͤpfung. Der Wind heulte in meinem Gewande, daß ich meine eigne Stimme nicht hoͤrte; er drohte mir zweimal, mich niederzuwerfen, wie ich unvorſich- tig auf der Fußſpitze auf dem naſſen Sand einher- laufen wollte. Ferner und naͤher, rechts und links und vor mir, hoͤrte ich das Fallen einzelner Waſ- ſerſtroͤme, die das fortwaͤhrende Rauſchen der Wo- gen unterbrachen, ich faßte Fuß an einer großen Fiſcherbarke, die durch die Ebbe aufs Trockne ge- ſetzt war, und ſuchte mich mit den Gegenſtaͤnden um mich her zu befreunden. Jetze ſah ich graue Mauern vor mir aufſteigen in parallelen Streifen vor dem Sturme her aus Nordweſt; der Urſprung jeder von der andern an Zeit und Laͤnge verſchieden. Die graue Mauer wuchs und erhob ſich, ward immer dunkler, je hoͤher ſie ſtieg, den wolkenſchweren Himmel uͤber ſich, unſichere Sonnenhelle durch ihn hervorbre- chend, ſchon tief in Weſten. Nun kraͤuſelte weiſ- ſer Schaum auf der Zinne der grauen Mauer, und der Schaum wuchs, und ſtieg hoͤher und hoͤher,

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Zitationshilfe: Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/356>, abgerufen am 24.11.2024.