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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811.

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fertig werden kann; er will nichts lernen, und
hat den ganzen Morgen gestürmt und gewüthet."
Der Knabe hatte bisher ruhig am Fenster gestan-
den, nun wandte er sich um, und sagte sehr ge-
faßt: "der junge Mensch, von dem die Rede ist,
bin ich, Herr Präsident." Das ist eine hoff-
nungsvolle Unbefangenheit! -- Wie glücklich
könnte diese Beweglichkeit benutzt werden, wenn
er, statt von den Händen einer gewiß wohlmei-
nenden Hofmeisterin gemeißelt, geknetet und ge-
schniegelt zu werden, in ländliche Umgebungen,
unter eine Zahl rüstiger Jungen, in die väterliche
Aufsicht eines männlichen Lehrers käme. Nun --
das Schicksal walte! --

Ein Saal, auf eine würdige Weise das Haupt
einer Nation ankündend, ist der große Audienz-
saal. Das Licht fällt von oben und der einen
Seite auf die Gemählde, welche die Mauerbeklei-
dung bilden. Die Hauptfelder nehmen große hi-
storische Darstellungen ein, die kleinern und Dek-
kenwölbung allegorische Figuren und Gruppen;
auf den Pfeilern stehen einzelne Bildnisse berühm-
ter Staatsmänner und Krieger aus der holländi-
schen Geschichte. Das Ganze ist sehr erhalten,
unter den einzelnen Gestalten sehr viele vorzügliche,

fertig werden kann; er will nichts lernen, und
hat den ganzen Morgen geſtuͤrmt und gewuͤthet.“
Der Knabe hatte bisher ruhig am Fenſter geſtan-
den, nun wandte er ſich um, und ſagte ſehr ge-
faßt: „der junge Menſch, von dem die Rede iſt,
bin ich, Herr Praͤſident.“ Das iſt eine hoff-
nungsvolle Unbefangenheit! — Wie gluͤcklich
koͤnnte dieſe Beweglichkeit benutzt werden, wenn
er, ſtatt von den Haͤnden einer gewiß wohlmei-
nenden Hofmeiſterin gemeißelt, geknetet und ge-
ſchniegelt zu werden, in laͤndliche Umgebungen,
unter eine Zahl ruͤſtiger Jungen, in die vaͤterliche
Aufſicht eines maͤnnlichen Lehrers kaͤme. Nun —
das Schickſal walte! —

Ein Saal, auf eine wuͤrdige Weiſe das Haupt
einer Nation ankuͤndend, iſt der große Audienz-
ſaal. Das Licht faͤllt von oben und der einen
Seite auf die Gemaͤhlde, welche die Mauerbeklei-
dung bilden. Die Hauptfelder nehmen große hi-
ſtoriſche Darſtellungen ein, die kleinern und Dek-
kenwoͤlbung allegoriſche Figuren und Gruppen;
auf den Pfeilern ſtehen einzelne Bildniſſe beruͤhm-
ter Staatsmaͤnner und Krieger aus der hollaͤndi-
ſchen Geſchichte. Das Ganze iſt ſehr erhalten,
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[335/0349] fertig werden kann; er will nichts lernen, und hat den ganzen Morgen geſtuͤrmt und gewuͤthet.“ Der Knabe hatte bisher ruhig am Fenſter geſtan- den, nun wandte er ſich um, und ſagte ſehr ge- faßt: „der junge Menſch, von dem die Rede iſt, bin ich, Herr Praͤſident.“ Das iſt eine hoff- nungsvolle Unbefangenheit! — Wie gluͤcklich koͤnnte dieſe Beweglichkeit benutzt werden, wenn er, ſtatt von den Haͤnden einer gewiß wohlmei- nenden Hofmeiſterin gemeißelt, geknetet und ge- ſchniegelt zu werden, in laͤndliche Umgebungen, unter eine Zahl ruͤſtiger Jungen, in die vaͤterliche Aufſicht eines maͤnnlichen Lehrers kaͤme. Nun — das Schickſal walte! — Ein Saal, auf eine wuͤrdige Weiſe das Haupt einer Nation ankuͤndend, iſt der große Audienz- ſaal. Das Licht faͤllt von oben und der einen Seite auf die Gemaͤhlde, welche die Mauerbeklei- dung bilden. Die Hauptfelder nehmen große hi- ſtoriſche Darſtellungen ein, die kleinern und Dek- kenwoͤlbung allegoriſche Figuren und Gruppen; auf den Pfeilern ſtehen einzelne Bildniſſe beruͤhm- ter Staatsmaͤnner und Krieger aus der hollaͤndi- ſchen Geſchichte. Das Ganze iſt ſehr erhalten, unter den einzelnen Geſtalten ſehr viele vorzuͤgliche,

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Zitationshilfe: Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/349>, abgerufen am 24.11.2024.