Zimmereinrichtung, ein paar Säle ausgenommen, um nichts prächtiger, wie das Haus eines wohl- habenden Privatmanns. Ich besah das moderne Geräth mit weiblicher Neugier, und verglich es mit den deutschen Schlössern, die ich ehrenhalber hie und da sehen muß, denn es wird einem fast übel ausgelegt, wenn man seine Langeweile bei bloßen Sopha's, Brumeaux und Lustres nicht ber- gen kann. Im Hause, im Busch könnte ich mit euch Lieben, groß und klein, ohne alle Umstände leben, Molly könnte in dem kleinen Prinzenzimmer all ihr Wesen treiben, ohne daß groß Unglück ge- schähe, und wir setzen unsern Theetisch sehr unbe- fangen an das Fenster, wo man schöne Grasplätze rings mit Blumen und blühenden Stauden einge- faßt erblickt, herrliche hohe Bäume nehmen die reinlich gehaltenen Wege auf, und unter den Pap- pel- und Ahornstämmen schimmert hie und da ein ruhiger Teich hervor.
Es ist ein eigenes Gefühl für eine Mutter des Mittelstandes, sich die Kindheit eines Prinzen vor- zustellen. Wohlbemerkt: des Mittelstandes, und ich möchte wohl dazu setzen -- unsrer Zeit. Wir stehen ganz natürlich auf dem höchsten Standpunkt zur Ansicht des Lebens, indem wir als Hausfrauen
Zimmereinrichtung, ein paar Saͤle ausgenommen, um nichts praͤchtiger, wie das Haus eines wohl- habenden Privatmanns. Ich beſah das moderne Geraͤth mit weiblicher Neugier, und verglich es mit den deutſchen Schloͤſſern, die ich ehrenhalber hie und da ſehen muß, denn es wird einem faſt uͤbel ausgelegt, wenn man ſeine Langeweile bei bloßen Sopha’s, Brumeaux und Lustres nicht ber- gen kann. Im Hauſe, im Buſch koͤnnte ich mit euch Lieben, groß und klein, ohne alle Umſtaͤnde leben, Molly koͤnnte in dem kleinen Prinzenzimmer all ihr Weſen treiben, ohne daß groß Ungluͤck ge- ſchaͤhe, und wir ſetzen unſern Theetiſch ſehr unbe- fangen an das Fenſter, wo man ſchoͤne Grasplaͤtze rings mit Blumen und bluͤhenden Stauden einge- faßt erblickt, herrliche hohe Baͤume nehmen die reinlich gehaltenen Wege auf, und unter den Pap- pel- und Ahornſtaͤmmen ſchimmert hie und da ein ruhiger Teich hervor.
Es iſt ein eigenes Gefuͤhl fuͤr eine Mutter des Mittelſtandes, ſich die Kindheit eines Prinzen vor- zuſtellen. Wohlbemerkt: des Mittelſtandes, und ich moͤchte wohl dazu ſetzen — unſrer Zeit. Wir ſtehen ganz natuͤrlich auf dem hoͤchſten Standpunkt zur Anſicht des Lebens, indem wir als Hausfrauen
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0344"n="330"/>
Zimmereinrichtung, ein paar Saͤle ausgenommen,<lb/>
um nichts praͤchtiger, wie das Haus eines wohl-<lb/>
habenden Privatmanns. Ich beſah das moderne<lb/>
Geraͤth mit weiblicher Neugier, und verglich es<lb/>
mit den deutſchen Schloͤſſern, die ich ehrenhalber<lb/>
hie und da ſehen muß, denn es wird einem faſt<lb/>
uͤbel ausgelegt, wenn man ſeine Langeweile bei<lb/>
bloßen Sopha’s, <hirendition="#aq">Brumeaux</hi> und <hirendition="#aq">Lustres</hi> nicht ber-<lb/>
gen kann. Im Hauſe, im Buſch koͤnnte ich mit<lb/>
euch Lieben, groß und klein, ohne alle Umſtaͤnde<lb/>
leben, Molly koͤnnte in dem kleinen Prinzenzimmer<lb/>
all ihr Weſen treiben, ohne daß groß Ungluͤck ge-<lb/>ſchaͤhe, und wir ſetzen unſern Theetiſch ſehr unbe-<lb/>
fangen an das Fenſter, wo man ſchoͤne Grasplaͤtze<lb/>
rings mit Blumen und bluͤhenden Stauden einge-<lb/>
faßt erblickt, herrliche hohe Baͤume nehmen die<lb/>
reinlich gehaltenen Wege auf, und unter den Pap-<lb/>
pel- und Ahornſtaͤmmen ſchimmert hie und da ein<lb/>
ruhiger Teich hervor.</p><lb/><p>Es iſt ein eigenes Gefuͤhl fuͤr eine Mutter des<lb/>
Mittelſtandes, ſich die Kindheit eines Prinzen vor-<lb/>
zuſtellen. Wohlbemerkt: des Mittelſtandes, und<lb/>
ich moͤchte wohl dazu ſetzen — unſrer Zeit. Wir<lb/>ſtehen ganz natuͤrlich auf dem hoͤchſten Standpunkt<lb/>
zur Anſicht des Lebens, indem wir als Hausfrauen<lb/></p></div></body></text></TEI>
[330/0344]
Zimmereinrichtung, ein paar Saͤle ausgenommen,
um nichts praͤchtiger, wie das Haus eines wohl-
habenden Privatmanns. Ich beſah das moderne
Geraͤth mit weiblicher Neugier, und verglich es
mit den deutſchen Schloͤſſern, die ich ehrenhalber
hie und da ſehen muß, denn es wird einem faſt
uͤbel ausgelegt, wenn man ſeine Langeweile bei
bloßen Sopha’s, Brumeaux und Lustres nicht ber-
gen kann. Im Hauſe, im Buſch koͤnnte ich mit
euch Lieben, groß und klein, ohne alle Umſtaͤnde
leben, Molly koͤnnte in dem kleinen Prinzenzimmer
all ihr Weſen treiben, ohne daß groß Ungluͤck ge-
ſchaͤhe, und wir ſetzen unſern Theetiſch ſehr unbe-
fangen an das Fenſter, wo man ſchoͤne Grasplaͤtze
rings mit Blumen und bluͤhenden Stauden einge-
faßt erblickt, herrliche hohe Baͤume nehmen die
reinlich gehaltenen Wege auf, und unter den Pap-
pel- und Ahornſtaͤmmen ſchimmert hie und da ein
ruhiger Teich hervor.
Es iſt ein eigenes Gefuͤhl fuͤr eine Mutter des
Mittelſtandes, ſich die Kindheit eines Prinzen vor-
zuſtellen. Wohlbemerkt: des Mittelſtandes, und
ich moͤchte wohl dazu ſetzen — unſrer Zeit. Wir
ſtehen ganz natuͤrlich auf dem hoͤchſten Standpunkt
zur Anſicht des Lebens, indem wir als Hausfrauen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/344>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.