die vergebliche Dekoration der prächtigen Zimmer, in welchen nun die wilden Knaben hausen, gar sehr beklagt. Ich glaube, das Gebäude ist das ehemalige alte Haus, schon in den frühsten Zei- ten der Stadt, zum Gouvernementshause gebaut, nachmals aber vom Erbstatthalter bewohnt; es ist ziemlich regelmäßig, sieht aber antik aus, ein Theil davon ist noch dem Gebrauche der Regierung ein- geräumt, und daher verschlossen. Das Corps de Logis, der große viereckte Hof, und die anstoßen- den Hofräume gehören der Soldatenschule. Nach der Absicht des Königs soll die Anzahl der Kinder bis zu drei tausend steigen, noch ist sie nicht ganz zur Hälfte vollzählig. Es werden alle Soldaten- waisen darin aufgenommen und auch andere hülf- lose Kinder, sobald sie gesund sind, und nicht über das sechste Jahr zurückgelegt haben; der Staat übernimmt ihre ganze Erziehung, wogegen sie aber alle zum Kriegsdienst bestimmt sind. Daß eine fehlerhafte physische Entwickelung, die bei einer so großen Zahl Kinder, unerachtet der zweckmäs- sigsten Pflege, dennoch vorfallen muß, Ausnah- men machen wird, liegt wohl in der Natur der Sache. Die Knaben lernen nichts, wie die zum Kriegsdienst, und zunächst für die gemeinen Sol-
die vergebliche Dekoration der praͤchtigen Zimmer, in welchen nun die wilden Knaben hauſen, gar ſehr beklagt. Ich glaube, das Gebaͤude iſt das ehemalige alte Haus, ſchon in den fruͤhſten Zei- ten der Stadt, zum Gouvernementshauſe gebaut, nachmals aber vom Erbſtatthalter bewohnt; es iſt ziemlich regelmaͤßig, ſieht aber antik aus, ein Theil davon iſt noch dem Gebrauche der Regierung ein- geraͤumt, und daher verſchloſſen. Das Corps de Logis, der große viereckte Hof, und die anſtoßen- den Hofraͤume gehoͤren der Soldatenſchule. Nach der Abſicht des Koͤnigs ſoll die Anzahl der Kinder bis zu drei tauſend ſteigen, noch iſt ſie nicht ganz zur Haͤlfte vollzaͤhlig. Es werden alle Soldaten- waiſen darin aufgenommen und auch andere huͤlf- loſe Kinder, ſobald ſie geſund ſind, und nicht uͤber das ſechſte Jahr zuruͤckgelegt haben; der Staat uͤbernimmt ihre ganze Erziehung, wogegen ſie aber alle zum Kriegsdienſt beſtimmt ſind. Daß eine fehlerhafte phyſiſche Entwickelung, die bei einer ſo großen Zahl Kinder, unerachtet der zweckmaͤſ- ſigſten Pflege, dennoch vorfallen muß, Ausnah- men machen wird, liegt wohl in der Natur der Sache. Die Knaben lernen nichts, wie die zum Kriegsdienſt, und zunaͤchſt fuͤr die gemeinen Sol-
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die vergebliche Dekoration der praͤchtigen Zimmer,
in welchen nun die wilden Knaben hauſen, gar
ſehr beklagt. Ich glaube, das Gebaͤude iſt das
ehemalige alte Haus, ſchon in den fruͤhſten Zei-
ten der Stadt, zum Gouvernementshauſe gebaut,
nachmals aber vom Erbſtatthalter bewohnt; es iſt
ziemlich regelmaͤßig, ſieht aber antik aus, ein Theil
davon iſt noch dem Gebrauche der Regierung ein-
geraͤumt, und daher verſchloſſen. Das Corps de
Logis, der große viereckte Hof, und die anſtoßen-
den Hofraͤume gehoͤren der Soldatenſchule. Nach
der Abſicht des Koͤnigs ſoll die Anzahl der Kinder
bis zu drei tauſend ſteigen, noch iſt ſie nicht ganz
zur Haͤlfte vollzaͤhlig. Es werden alle Soldaten-
waiſen darin aufgenommen und auch andere huͤlf-
loſe Kinder, ſobald ſie geſund ſind, und nicht uͤber
das ſechſte Jahr zuruͤckgelegt haben; der Staat
uͤbernimmt ihre ganze Erziehung, wogegen ſie aber
alle zum Kriegsdienſt beſtimmt ſind. Daß eine
fehlerhafte phyſiſche Entwickelung, die bei einer
ſo großen Zahl Kinder, unerachtet der zweckmaͤſ-
ſigſten Pflege, dennoch vorfallen muß, Ausnah-
men machen wird, liegt wohl in der Natur der
Sache. Die Knaben lernen nichts, wie die zum
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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/339>, abgerufen am 24.11.2024.
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