Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite

diese willigen Steine tragen stumm neue Geschlech-
ter, aber der Geist jener Männer wirkte fort und
fort. Die öde Stille der schönen Stadt betrübte
mich. Das Gras wächst in machen der breiten,
geraden Straßen, und die regelmäßig gebauten
Häuser scheinen sehr spärlich bewohnt. Mein Be-
gleiter und ich stiegen in einer der ersten Straßen
aus, und übergaben unsre Chaise den Bedienten,
um sogleich den Schauplatz der schrecklichen Ver-
wüstung aufzusuchen, die im Jenner des Jahres
1808 diese arme Stadt traf. Der ganze Vor-
gang behält viel Unbegreifliches. Unbegreiflich ist
es, daß ein Schiff mit Schießpulver geladen, bis
mitten in die Stadt konnte geführt werden; unbe-
greiflich, daß es hier drei Tage lang der Aufmerk-
samkeit der Polizei entging, ja daß der Fahrmann
selbst so wenig Arg daraus hatte, daß von den
Schiffsleuten keiner daran dachte, die Gefahr zu
vermeiden, wenn sie Mittag und Abend, von den
Fässern nur durch einen Bretterboden getrennt,
ihre Speisen kochten. Der Umfang der Verwü-
stung macht schaudern, und sie war das Werk ei-
nes Moments. Ich kann euch von diesem schreck-
lichen Auftritt nichts interessanters sagen, als was
der Bericht eines Augenzeugen in der Beschreibung

dieſe willigen Steine tragen ſtumm neue Geſchlech-
ter, aber der Geiſt jener Maͤnner wirkte fort und
fort. Die oͤde Stille der ſchoͤnen Stadt betruͤbte
mich. Das Gras waͤchſt in machen der breiten,
geraden Straßen, und die regelmaͤßig gebauten
Haͤuſer ſcheinen ſehr ſpaͤrlich bewohnt. Mein Be-
gleiter und ich ſtiegen in einer der erſten Straßen
aus, und uͤbergaben unſre Chaiſe den Bedienten,
um ſogleich den Schauplatz der ſchrecklichen Ver-
wuͤſtung aufzuſuchen, die im Jenner des Jahres
1808 dieſe arme Stadt traf. Der ganze Vor-
gang behaͤlt viel Unbegreifliches. Unbegreiflich iſt
es, daß ein Schiff mit Schießpulver geladen, bis
mitten in die Stadt konnte gefuͤhrt werden; unbe-
greiflich, daß es hier drei Tage lang der Aufmerk-
ſamkeit der Polizei entging, ja daß der Fahrmann
ſelbſt ſo wenig Arg daraus hatte, daß von den
Schiffsleuten keiner daran dachte, die Gefahr zu
vermeiden, wenn ſie Mittag und Abend, von den
Faͤſſern nur durch einen Bretterboden getrennt,
ihre Speiſen kochten. Der Umfang der Verwuͤ-
ſtung macht ſchaudern, und ſie war das Werk ei-
nes Moments. Ich kann euch von dieſem ſchreck-
lichen Auftritt nichts intereſſanters ſagen, als was
der Bericht eines Augenzeugen in der Beſchreibung

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0320" n="306"/>
die&#x017F;e willigen Steine tragen &#x017F;tumm neue Ge&#x017F;chlech-<lb/>
ter, aber der Gei&#x017F;t jener Ma&#x0364;nner wirkte fort und<lb/>
fort. Die o&#x0364;de Stille der &#x017F;cho&#x0364;nen Stadt betru&#x0364;bte<lb/>
mich. Das Gras wa&#x0364;ch&#x017F;t in machen der breiten,<lb/>
geraden Straßen, und die regelma&#x0364;ßig gebauten<lb/>
Ha&#x0364;u&#x017F;er &#x017F;cheinen &#x017F;ehr &#x017F;pa&#x0364;rlich bewohnt. Mein Be-<lb/>
gleiter und ich &#x017F;tiegen in einer der er&#x017F;ten Straßen<lb/>
aus, und u&#x0364;bergaben un&#x017F;re Chai&#x017F;e den Bedienten,<lb/>
um &#x017F;ogleich den Schauplatz der &#x017F;chrecklichen Ver-<lb/>
wu&#x0364;&#x017F;tung aufzu&#x017F;uchen, die im Jenner des Jahres<lb/>
1808 die&#x017F;e arme Stadt traf. Der ganze Vor-<lb/>
gang beha&#x0364;lt viel Unbegreifliches. Unbegreiflich i&#x017F;t<lb/>
es, daß ein Schiff mit Schießpulver geladen, bis<lb/>
mitten in die Stadt konnte gefu&#x0364;hrt werden; unbe-<lb/>
greiflich, daß es hier drei Tage lang der Aufmerk-<lb/>
&#x017F;amkeit der Polizei entging, ja daß der Fahrmann<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;o wenig Arg daraus hatte, daß von den<lb/>
Schiffsleuten keiner daran dachte, die Gefahr zu<lb/>
vermeiden, wenn &#x017F;ie Mittag und Abend, von den<lb/>
Fa&#x0364;&#x017F;&#x017F;ern nur durch einen Bretterboden getrennt,<lb/>
ihre Spei&#x017F;en kochten. Der Umfang der Verwu&#x0364;-<lb/>
&#x017F;tung macht &#x017F;chaudern, und &#x017F;ie war das Werk ei-<lb/>
nes Moments. Ich kann euch von die&#x017F;em &#x017F;chreck-<lb/>
lichen Auftritt nichts intere&#x017F;&#x017F;anters &#x017F;agen, als was<lb/>
der Bericht eines Augenzeugen in der Be&#x017F;chreibung<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[306/0320] dieſe willigen Steine tragen ſtumm neue Geſchlech- ter, aber der Geiſt jener Maͤnner wirkte fort und fort. Die oͤde Stille der ſchoͤnen Stadt betruͤbte mich. Das Gras waͤchſt in machen der breiten, geraden Straßen, und die regelmaͤßig gebauten Haͤuſer ſcheinen ſehr ſpaͤrlich bewohnt. Mein Be- gleiter und ich ſtiegen in einer der erſten Straßen aus, und uͤbergaben unſre Chaiſe den Bedienten, um ſogleich den Schauplatz der ſchrecklichen Ver- wuͤſtung aufzuſuchen, die im Jenner des Jahres 1808 dieſe arme Stadt traf. Der ganze Vor- gang behaͤlt viel Unbegreifliches. Unbegreiflich iſt es, daß ein Schiff mit Schießpulver geladen, bis mitten in die Stadt konnte gefuͤhrt werden; unbe- greiflich, daß es hier drei Tage lang der Aufmerk- ſamkeit der Polizei entging, ja daß der Fahrmann ſelbſt ſo wenig Arg daraus hatte, daß von den Schiffsleuten keiner daran dachte, die Gefahr zu vermeiden, wenn ſie Mittag und Abend, von den Faͤſſern nur durch einen Bretterboden getrennt, ihre Speiſen kochten. Der Umfang der Verwuͤ- ſtung macht ſchaudern, und ſie war das Werk ei- nes Moments. Ich kann euch von dieſem ſchreck- lichen Auftritt nichts intereſſanters ſagen, als was der Bericht eines Augenzeugen in der Beſchreibung

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/320
Zitationshilfe: Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/320>, abgerufen am 24.11.2024.