noch, und das schöne Gras der kleinen Insel näh- ret noch ihre Heerde. Sie gehört aber Privatleu- ten. Der Hafen kam mir jetzt lebhafter, das Ufer mit mehreren Schiffen bedeckt vor, als ich es ehemals bei einem vierjährigen Aufenthalte in Mainz sah. Meine Blicke suchten den zerstörten Dom -- dessen Kuppel ich, auf falsche Berichte hin, für [a]ngeschossen hielt. Wie sehr ward ich überrascht, ihn wieder zu finden, dem Aeußern nach ganz unversehrt, die beiden kleinen Thürm- chen an dem entgegengesetzten Ende der Kirche sind eingeschossen, aber mein großer majestätischer Thurm, von dem ich oft die Strahlen der Abend- sonne zurückstrahlen sah, auf dem so oft mein Blick ruhte, wenn ich im Mondenglanze von mei- nen späten Wanderungen zurück kam -- mein ernster Thurm stand noch! Wie ich diese Kirche zum ersten Male besuchte. war Frohuleichuamsfest -- ist es nicht ein eignes Schicksal, daß von sechs Menschen, die wir damals, alle in der Jugend- blüthe, dieses für uns fremde Fest besuchten, nach neunzehn Jahren niemand mehr lebt, als ich al- lein? -- Es war Frohnleichnam, die Kirche duf- tete von den emporsteigenden Weihrauchwolken, die Sonne strahlte blendend auf die reiche Mon-
noch, und das ſchoͤne Gras der kleinen Inſel naͤh- ret noch ihre Heerde. Sie gehoͤrt aber Privatleu- ten. Der Hafen kam mir jetzt lebhafter, das Ufer mit mehreren Schiffen bedeckt vor, als ich es ehemals bei einem vierjaͤhrigen Aufenthalte in Mainz ſah. Meine Blicke ſuchten den zerſtoͤrten Dom — deſſen Kuppel ich, auf falſche Berichte hin, fuͤr [a]ngeſchoſſen hielt. Wie ſehr ward ich uͤberraſcht, ihn wieder zu finden, dem Aeußern nach ganz unverſehrt, die beiden kleinen Thuͤrm- chen an dem entgegengeſetzten Ende der Kirche ſind eingeſchoſſen, aber mein großer majeſtaͤtiſcher Thurm, von dem ich oft die Strahlen der Abend- ſonne zuruͤckſtrahlen ſah, auf dem ſo oft mein Blick ruhte, wenn ich im Mondenglanze von mei- nen ſpaͤten Wanderungen zuruͤck kam — mein ernſter Thurm ſtand noch! Wie ich dieſe Kirche zum erſten Male beſuchte. war Frohuleichuamsfeſt — iſt es nicht ein eignes Schickſal, daß von ſechs Menſchen, die wir damals, alle in der Jugend- bluͤthe, dieſes fuͤr uns fremde Feſt beſuchten, nach neunzehn Jahren niemand mehr lebt, als ich al- lein? — Es war Frohnleichnam, die Kirche duf- tete von den emporſteigenden Weihrauchwolken, die Sonne ſtrahlte blendend auf die reiche Mon-
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noch, und das ſchoͤne Gras der kleinen Inſel naͤh-
ret noch ihre Heerde. Sie gehoͤrt aber Privatleu-
ten. Der Hafen kam mir jetzt lebhafter, das
Ufer mit mehreren Schiffen bedeckt vor, als ich
es ehemals bei einem vierjaͤhrigen Aufenthalte in
Mainz ſah. Meine Blicke ſuchten den zerſtoͤrten
Dom — deſſen Kuppel ich, auf falſche Berichte
hin, fuͤr angeſchoſſen hielt. Wie ſehr ward ich
uͤberraſcht, ihn wieder zu finden, dem Aeußern
nach ganz unverſehrt, die beiden kleinen Thuͤrm-
chen an dem entgegengeſetzten Ende der Kirche ſind
eingeſchoſſen, aber mein großer majeſtaͤtiſcher
Thurm, von dem ich oft die Strahlen der Abend-
ſonne zuruͤckſtrahlen ſah, auf dem ſo oft mein
Blick ruhte, wenn ich im Mondenglanze von mei-
nen ſpaͤten Wanderungen zuruͤck kam — mein
ernſter Thurm ſtand noch! Wie ich dieſe Kirche
zum erſten Male beſuchte. war Frohuleichuamsfeſt
— iſt es nicht ein eignes Schickſal, daß von ſechs
Menſchen, die wir damals, alle in der Jugend-
bluͤthe, dieſes fuͤr uns fremde Feſt beſuchten, nach
neunzehn Jahren niemand mehr lebt, als ich al-
lein? — Es war Frohnleichnam, die Kirche duf-
tete von den emporſteigenden Weihrauchwolken,
die Sonne ſtrahlte blendend auf die reiche Mon-
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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/32>, abgerufen am 24.11.2024.
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