gegen den Steindamm anschlug. Der Mond wandelte durch schweres Gewölk, durch dessen Ritzen er wie ein mächtiger Stern hervor blickte, bald trieb er die verdunkelnden Dünste siegreich aus einander, so daß sie um das dunkle Blau in dessen Mitte er prangte, einen finstern Wall auf- thürmten, dessen Zinnen versilbert, von seiner Herrlichkeit zeugten. Vor mir, an der andern Seite des Kanals, stand eine sehr hohe Wind- mühle, deren Flügelschatten die wunderbarsten Gestalten aufdie angrenzende Wiese und das nahe Gebüsch bildeten. Wie der Schatten eines unge- heuren Schwerdtes, das der schwerfällige Arm ei- nes handfesten Riesen geschwungen hätte, glitt die dunkle Gestalt, über die Baumgipfel, über die Wiese hin, tauchte in den Kanal, und fuhr mir dann pfeilschnell über das Gesicht den finstern Wolken zu. Anfangs fuhr ich zurück, wie der große Schatten mir das Auge deckte, mir wars als sähe ich ein grausend Gesicht aus den weh- klagend gehobenen Armen der Windmühle heraus gucken.
Diese abentheuerliche Windmühle setzte eine Brettmühle in Bewegung, von der eben das gilt, was ich von der Ziegelbrennerei bei Woerden ge-
gegen den Steindamm anſchlug. Der Mond wandelte durch ſchweres Gewoͤlk, durch deſſen Ritzen er wie ein maͤchtiger Stern hervor blickte, bald trieb er die verdunkelnden Duͤnſte ſiegreich aus einander, ſo daß ſie um das dunkle Blau in deſſen Mitte er prangte, einen finſtern Wall auf- thuͤrmten, deſſen Zinnen verſilbert, von ſeiner Herrlichkeit zeugten. Vor mir, an der andern Seite des Kanals, ſtand eine ſehr hohe Wind- muͤhle, deren Fluͤgelſchatten die wunderbarſten Geſtalten aufdie angrenzende Wieſe und das nahe Gebuͤſch bildeten. Wie der Schatten eines unge- heuren Schwerdtes, das der ſchwerfaͤllige Arm ei- nes handfeſten Rieſen geſchwungen haͤtte, glitt die dunkle Geſtalt, uͤber die Baumgipfel, uͤber die Wieſe hin, tauchte in den Kanal, und fuhr mir dann pfeilſchnell uͤber das Geſicht den finſtern Wolken zu. Anfangs fuhr ich zuruͤck, wie der große Schatten mir das Auge deckte, mir wars als ſaͤhe ich ein grauſend Geſicht aus den weh- klagend gehobenen Armen der Windmuͤhle heraus gucken.
Dieſe abentheuerliche Windmuͤhle ſetzte eine Brettmuͤhle in Bewegung, von der eben das gilt, was ich von der Ziegelbrennerei bei Woerden ge-
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gegen den Steindamm anſchlug. Der Mond
wandelte durch ſchweres Gewoͤlk, durch deſſen
Ritzen er wie ein maͤchtiger Stern hervor blickte,
bald trieb er die verdunkelnden Duͤnſte ſiegreich
aus einander, ſo daß ſie um das dunkle Blau in
deſſen Mitte er prangte, einen finſtern Wall auf-
thuͤrmten, deſſen Zinnen verſilbert, von ſeiner
Herrlichkeit zeugten. Vor mir, an der andern
Seite des Kanals, ſtand eine ſehr hohe Wind-
muͤhle, deren Fluͤgelſchatten die wunderbarſten
Geſtalten aufdie angrenzende Wieſe und das nahe
Gebuͤſch bildeten. Wie der Schatten eines unge-
heuren Schwerdtes, das der ſchwerfaͤllige Arm ei-
nes handfeſten Rieſen geſchwungen haͤtte, glitt die
dunkle Geſtalt, uͤber die Baumgipfel, uͤber die
Wieſe hin, tauchte in den Kanal, und fuhr mir
dann pfeilſchnell uͤber das Geſicht den finſtern
Wolken zu. Anfangs fuhr ich zuruͤck, wie der
große Schatten mir das Auge deckte, mir wars
als ſaͤhe ich ein grauſend Geſicht aus den weh-
klagend gehobenen Armen der Windmuͤhle heraus
gucken.
Dieſe abentheuerliche Windmuͤhle ſetzte eine
Brettmuͤhle in Bewegung, von der eben das gilt,
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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/310>, abgerufen am 24.11.2024.
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