bei manchen sehr modern seyn. Fremde, welche sie besuchten, meinten es fehle darin an Ge- schmack, und beweise mehr die Absicht Reichthum zu zeigen, als die Gewohnheit, rafinirte Bequem- lichkeit zu genießen. Diese Eigenheit, welche nach dem Parvenü riecht, bemerkte ich sehr oft bei bereicherten Leuten im Handelsstande. Weltleuten kann sie zum Spott Anlaß geben, ih- re Quelle ist aber ehrwürdig. Sie vergaßen noch nicht wie mühselig man erwirbt, der Sohn des Bereicherten wird sich unbefangen in den seid- nen Betten dehnen, wird ohne Vorsicht mit seinen staubigen Stiefeln die Teppiche betreten -- aber auch nie das ehrwürdige Gefühl haben, Schmid seines eignen Glückes zu seyn. Die Landhäuser mancher angesehnen und vornehmen Familien, die ich sah, bewiesen mir, daß ihr Stolz noch weise genug ist, um die Mode nicht zu bedürfen. Ich fand hier, wie bei den vornehmsten Schweizerfa- milien, bei der größten Fülle und Bequemlichkeit keinen Widerwillen Geräthschaften zu gebrauchen, die den Eltern und Voreltern schon gedient hatten. Möge diese Beharrlichkeit dauern! Mir ist wohl in den hohen Zimmern, mit den glattgebohnten hohen Schränken, mit derben Stühlen, die ihren
bei manchen ſehr modern ſeyn. Fremde, welche ſie beſuchten, meinten es fehle darin an Ge- ſchmack, und beweiſe mehr die Abſicht Reichthum zu zeigen, als die Gewohnheit, rafinirte Bequem- lichkeit zu genießen. Dieſe Eigenheit, welche nach dem Parvenuͤ riecht, bemerkte ich ſehr oft bei bereicherten Leuten im Handelsſtande. Weltleuten kann ſie zum Spott Anlaß geben, ih- re Quelle iſt aber ehrwuͤrdig. Sie vergaßen noch nicht wie muͤhſelig man erwirbt, der Sohn des Bereicherten wird ſich unbefangen in den ſeid- nen Betten dehnen, wird ohne Vorſicht mit ſeinen ſtaubigen Stiefeln die Teppiche betreten — aber auch nie das ehrwuͤrdige Gefuͤhl haben, Schmid ſeines eignen Gluͤckes zu ſeyn. Die Landhaͤuſer mancher angeſehnen und vornehmen Familien, die ich ſah, bewieſen mir, daß ihr Stolz noch weiſe genug iſt, um die Mode nicht zu beduͤrfen. Ich fand hier, wie bei den vornehmſten Schweizerfa- milien, bei der groͤßten Fuͤlle und Bequemlichkeit keinen Widerwillen Geraͤthſchaften zu gebrauchen, die den Eltern und Voreltern ſchon gedient hatten. Moͤge dieſe Beharrlichkeit dauern! Mir iſt wohl in den hohen Zimmern, mit den glattgebohnten hohen Schraͤnken, mit derben Stuͤhlen, die ihren
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bei manchen ſehr modern ſeyn. Fremde, welche
ſie beſuchten, meinten es fehle darin an Ge-
ſchmack, und beweiſe mehr die Abſicht Reichthum
zu zeigen, als die Gewohnheit, rafinirte Bequem-
lichkeit zu genießen. Dieſe Eigenheit, welche
nach dem Parvenuͤ riecht, bemerkte ich
ſehr oft bei bereicherten Leuten im Handelsſtande.
Weltleuten kann ſie zum Spott Anlaß geben, ih-
re Quelle iſt aber ehrwuͤrdig. Sie vergaßen noch
nicht wie muͤhſelig man erwirbt, der Sohn des
Bereicherten wird ſich unbefangen in den ſeid-
nen Betten dehnen, wird ohne Vorſicht mit ſeinen
ſtaubigen Stiefeln die Teppiche betreten — aber
auch nie das ehrwuͤrdige Gefuͤhl haben, Schmid
ſeines eignen Gluͤckes zu ſeyn. Die Landhaͤuſer
mancher angeſehnen und vornehmen Familien, die
ich ſah, bewieſen mir, daß ihr Stolz noch weiſe
genug iſt, um die Mode nicht zu beduͤrfen. Ich
fand hier, wie bei den vornehmſten Schweizerfa-
milien, bei der groͤßten Fuͤlle und Bequemlichkeit
keinen Widerwillen Geraͤthſchaften zu gebrauchen,
die den Eltern und Voreltern ſchon gedient hatten.
Moͤge dieſe Beharrlichkeit dauern! Mir iſt wohl
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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/256>, abgerufen am 24.11.2024.
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