Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite

Geldgewinnst getrennt. Wir wünschten sehr
Tromps Grabmal zu sehen, und fragten einen
Kirchendiener, wo es sey? er erwiederte uns mit
wegwerfender Gleichgültigkeit: es stehe in der al-
ten Kirche, wäre aber gar nicht der Mühe werth,
gesehen zu werden, es ging kein Fremder dahin.
Diese Verachtung jedes andern Denkmals, und
jedes andern Ruhms, als dessen seines Helden,
belustigte mich sehr. Wir suchten nun die alte
Kirche auf, aber es war zu spät, sie war nach
dem Morgengottesdienst geschlossen, und der Abend-
dienst war noch nicht angegangen. Meine Gesell-
schaft schien es nicht für gut zu halten, einen
Küster oder andere Kirchenaufwärter suchen zu las-
sen, und da ich nicht wußte, ob es dieser frommen
Stadt nicht wie eine Profanati[e]n erscheinen wür-
de, eine Kirche blos um des Begaffens willen auf-
zuschließen, versagte ich mir die Freude, das Denk-
mal von dem Ahnherrn meines Freundes F. zu se-
hen. Auch gut! er focht nicht minder gegen Ol-
bemarl, und entzündete nicht minder Muth in
manches Jünglings Brust, weil der Küster der
neuen Kirche neidisch gegen seinen Marmor war,
und weil der junge Holländer, der mich herum-
führte, nicht Stolz genug hatte, den Küster der

Geldgewinnſt getrennt. Wir wuͤnſchten ſehr
Tromps Grabmal zu ſehen, und fragten einen
Kirchendiener, wo es ſey? er erwiederte uns mit
wegwerfender Gleichguͤltigkeit: es ſtehe in der al-
ten Kirche, waͤre aber gar nicht der Muͤhe werth,
geſehen zu werden, es ging kein Fremder dahin.
Dieſe Verachtung jedes andern Denkmals, und
jedes andern Ruhms, als deſſen ſeines Helden,
beluſtigte mich ſehr. Wir ſuchten nun die alte
Kirche auf, aber es war zu ſpaͤt, ſie war nach
dem Morgengottesdienſt geſchloſſen, und der Abend-
dienſt war noch nicht angegangen. Meine Geſell-
ſchaft ſchien es nicht fuͤr gut zu halten, einen
Kuͤſter oder andere Kirchenaufwaͤrter ſuchen zu laſ-
ſen, und da ich nicht wußte, ob es dieſer frommen
Stadt nicht wie eine Profanati[e]n erſcheinen wuͤr-
de, eine Kirche blos um des Begaffens willen auf-
zuſchließen, verſagte ich mir die Freude, das Denk-
mal von dem Ahnherrn meines Freundes F. zu ſe-
hen. Auch gut! er focht nicht minder gegen Ol-
bemarl, und entzuͤndete nicht minder Muth in
manches Juͤnglings Bruſt, weil der Kuͤſter der
neuen Kirche neidiſch gegen ſeinen Marmor war,
und weil der junge Hollaͤnder, der mich herum-
fuͤhrte, nicht Stolz genug hatte, den Kuͤſter der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0196" n="182"/>
Geldgewinn&#x017F;t getrennt. Wir wu&#x0364;n&#x017F;chten &#x017F;ehr<lb/>
Tromps Grabmal zu &#x017F;ehen, und fragten einen<lb/>
Kirchendiener, wo es &#x017F;ey? er erwiederte uns mit<lb/>
wegwerfender Gleichgu&#x0364;ltigkeit: es &#x017F;tehe in der al-<lb/>
ten Kirche, wa&#x0364;re aber gar nicht der Mu&#x0364;he werth,<lb/>
ge&#x017F;ehen zu werden, es ging kein Fremder dahin.<lb/>
Die&#x017F;e Verachtung jedes andern Denkmals, und<lb/>
jedes andern Ruhms, als de&#x017F;&#x017F;en &#x017F;eines Helden,<lb/>
belu&#x017F;tigte mich &#x017F;ehr. Wir &#x017F;uchten nun die alte<lb/>
Kirche auf, aber es war zu &#x017F;pa&#x0364;t, &#x017F;ie war nach<lb/>
dem Morgengottesdien&#x017F;t ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, und der Abend-<lb/>
dien&#x017F;t war noch nicht angegangen. Meine Ge&#x017F;ell-<lb/>
&#x017F;chaft &#x017F;chien es nicht fu&#x0364;r gut zu halten, einen<lb/>
Ku&#x0364;&#x017F;ter oder andere Kirchenaufwa&#x0364;rter &#x017F;uchen zu la&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en, und da ich nicht wußte, ob es die&#x017F;er frommen<lb/>
Stadt nicht wie eine Profanati<supplied>e</supplied>n er&#x017F;cheinen wu&#x0364;r-<lb/>
de, eine Kirche blos um des Begaffens willen auf-<lb/>
zu&#x017F;chließen, ver&#x017F;agte ich mir die Freude, das Denk-<lb/>
mal von dem Ahnherrn meines Freundes F. zu &#x017F;e-<lb/>
hen. Auch gut! er focht nicht minder gegen Ol-<lb/>
bemarl, und entzu&#x0364;ndete nicht minder Muth in<lb/>
manches Ju&#x0364;nglings Bru&#x017F;t, weil der Ku&#x0364;&#x017F;ter der<lb/>
neuen Kirche neidi&#x017F;ch gegen &#x017F;einen Marmor war,<lb/>
und weil der junge Holla&#x0364;nder, der mich herum-<lb/>
fu&#x0364;hrte, nicht Stolz genug hatte, den Ku&#x0364;&#x017F;ter der<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[182/0196] Geldgewinnſt getrennt. Wir wuͤnſchten ſehr Tromps Grabmal zu ſehen, und fragten einen Kirchendiener, wo es ſey? er erwiederte uns mit wegwerfender Gleichguͤltigkeit: es ſtehe in der al- ten Kirche, waͤre aber gar nicht der Muͤhe werth, geſehen zu werden, es ging kein Fremder dahin. Dieſe Verachtung jedes andern Denkmals, und jedes andern Ruhms, als deſſen ſeines Helden, beluſtigte mich ſehr. Wir ſuchten nun die alte Kirche auf, aber es war zu ſpaͤt, ſie war nach dem Morgengottesdienſt geſchloſſen, und der Abend- dienſt war noch nicht angegangen. Meine Geſell- ſchaft ſchien es nicht fuͤr gut zu halten, einen Kuͤſter oder andere Kirchenaufwaͤrter ſuchen zu laſ- ſen, und da ich nicht wußte, ob es dieſer frommen Stadt nicht wie eine Profanatien erſcheinen wuͤr- de, eine Kirche blos um des Begaffens willen auf- zuſchließen, verſagte ich mir die Freude, das Denk- mal von dem Ahnherrn meines Freundes F. zu ſe- hen. Auch gut! er focht nicht minder gegen Ol- bemarl, und entzuͤndete nicht minder Muth in manches Juͤnglings Bruſt, weil der Kuͤſter der neuen Kirche neidiſch gegen ſeinen Marmor war, und weil der junge Hollaͤnder, der mich herum- fuͤhrte, nicht Stolz genug hatte, den Kuͤſter der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/196
Zitationshilfe: Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/196>, abgerufen am 23.12.2024.