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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811.

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Manier -- Gott verzeih mir das gelehrte Wort!
-- deutet so recht auf das Zeitalter, wo Novalis

romantisch sind. Mich wundert, daß sie unsre roman-
tische Historiker, oder historische Romantiker noch nicht
benutzten? Jakoba, Tochter Wilhelm II. Herzogs von
Baiern und Grafen von Holland und Hennegau erhielt
1411 vom Papste Johann XXIII. Dispensation, um
sich mit Johann von Frankreich, Herzog von Touraine,
Sohn K. Karl VI. von Frankreich zu verheirathen.
Dieser starb in dem ersten Jahre ihrer Ehe, und noch in
demselben Jahre, ertheilte ihr Martin V. Dispensation,
um sich mit Herzog Johann von Brabant zu verehligen,
widerruft sie aber im April des nächsten Jahres, weil
ihm der Kaiser Sigismund und die Kirchenversammlung
zu Kostanz gesagt habe, daß die Ehe mit Johann, der
ihr Vetter war, Skandal und Blutvergießen erregen
werde. Im Mai widerruft er aber den Widerruf, weil
sich das liebe Paar schon verehligt hatte, und er nun
höre, daß diese Heirath kein Skandal erregt, und kein
Blutvergießen verursacht habe, vielmehr ihre Unter-
thanen aus dieser Verbindung Hoffnung für die Ruhe
und das Glück ihres Landes schöpften. Der Erfolg
lehrte aber, daß Kaiser Siegismunds Misbilligung die-
ser Ehe sehr gegründet war. Johann von Baiern, der
Jakoba Oheim, der mit einer Nichte des Kaisers ver-
mählt war, gerieth mit ihr um die Erbschaft ihres ver-
storbenen Vaters in Streit. Das Land gerieth in Un-
ruhe, es entstand zwischen den beiden Johanns Krieg,
um das Erbe von Jakobinens Vater. Dieser wurde in-
deß über ihre Heirath, als sei sie eine Blutschande, so
bange gemacht, so, daß sie heimlich nach England ent-

Manier — Gott verzeih mir das gelehrte Wort!
— deutet ſo recht auf das Zeitalter, wo Novalis

romantiſch ſind. Mich wundert, daß ſie unſre roman-
tiſche Hiſtoriker, oder hiſtoriſche Romantiker noch nicht
benutzten? Jakoba, Tochter Wilhelm II. Herzogs von
Baiern und Grafen von Holland und Hennegau erhielt
1411 vom Papſte Johann XXIII. Dispenſation, um
ſich mit Johann von Frankreich, Herzog von Touraine,
Sohn K. Karl VI. von Frankreich zu verheirathen.
Dieſer ſtarb in dem erſten Jahre ihrer Ehe, und noch in
demſelben Jahre, ertheilte ihr Martin V. Dispenſation,
um ſich mit Herzog Johann von Brabant zu verehligen,
widerruft ſie aber im April des naͤchſten Jahres, weil
ihm der Kaiſer Sigismund und die Kirchenverſammlung
zu Koſtanz geſagt habe, daß die Ehe mit Johann, der
ihr Vetter war, Skandal und Blutvergießen erregen
werde. Im Mai widerruft er aber den Widerruf, weil
ſich das liebe Paar ſchon verehligt hatte, und er nun
hoͤre, daß dieſe Heirath kein Skandal erregt, und kein
Blutvergießen verurſacht habe, vielmehr ihre Unter-
thanen aus dieſer Verbindung Hoffnung fuͤr die Ruhe
und das Gluͤck ihres Landes ſchoͤpften. Der Erfolg
lehrte aber, daß Kaiſer Siegismunds Misbilligung die-
ſer Ehe ſehr gegruͤndet war. Johann von Baiern, der
Jakoba Oheim, der mit einer Nichte des Kaiſers ver-
maͤhlt war, gerieth mit ihr um die Erbſchaft ihres ver-
ſtorbenen Vaters in Streit. Das Land gerieth in Un-
ruhe, es entſtand zwiſchen den beiden Johanns Krieg,
um das Erbe von Jakobinens Vater. Dieſer wurde in-
deß uͤber ihre Heirath, als ſei ſie eine Blutſchande, ſo
bange gemacht, ſo, daß ſie heimlich nach England ent-
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[172/0186] Manier — Gott verzeih mir das gelehrte Wort! — deutet ſo recht auf das Zeitalter, wo Novalis *) *) romantiſch ſind. Mich wundert, daß ſie unſre roman- tiſche Hiſtoriker, oder hiſtoriſche Romantiker noch nicht benutzten? Jakoba, Tochter Wilhelm II. Herzogs von Baiern und Grafen von Holland und Hennegau erhielt 1411 vom Papſte Johann XXIII. Dispenſation, um ſich mit Johann von Frankreich, Herzog von Touraine, Sohn K. Karl VI. von Frankreich zu verheirathen. Dieſer ſtarb in dem erſten Jahre ihrer Ehe, und noch in demſelben Jahre, ertheilte ihr Martin V. Dispenſation, um ſich mit Herzog Johann von Brabant zu verehligen, widerruft ſie aber im April des naͤchſten Jahres, weil ihm der Kaiſer Sigismund und die Kirchenverſammlung zu Koſtanz geſagt habe, daß die Ehe mit Johann, der ihr Vetter war, Skandal und Blutvergießen erregen werde. Im Mai widerruft er aber den Widerruf, weil ſich das liebe Paar ſchon verehligt hatte, und er nun hoͤre, daß dieſe Heirath kein Skandal erregt, und kein Blutvergießen verurſacht habe, vielmehr ihre Unter- thanen aus dieſer Verbindung Hoffnung fuͤr die Ruhe und das Gluͤck ihres Landes ſchoͤpften. Der Erfolg lehrte aber, daß Kaiſer Siegismunds Misbilligung die- ſer Ehe ſehr gegruͤndet war. Johann von Baiern, der Jakoba Oheim, der mit einer Nichte des Kaiſers ver- maͤhlt war, gerieth mit ihr um die Erbſchaft ihres ver- ſtorbenen Vaters in Streit. Das Land gerieth in Un- ruhe, es entſtand zwiſchen den beiden Johanns Krieg, um das Erbe von Jakobinens Vater. Dieſer wurde in- deß uͤber ihre Heirath, als ſei ſie eine Blutſchande, ſo bange gemacht, ſo, daß ſie heimlich nach England ent-

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Zitationshilfe: Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/186>, abgerufen am 12.05.2024.