Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

jungen das Gitterthor aufgelassen und ein Schwein
liegt am Grabe und wühlt den Hügel mit schmutzigem
Rüssel auf. -- Da macht Tieletunke den Fensterflügel
zu; ich bin ihr mit meinem Anblick zur Last, wie es
scheint? Wohlan, ich kann auch anderswo diese auf-
erbaulichen Selbstgespräche fortsetzen. Und darum
will ich, um nur gleich das Schlimmste hinter mir zu
haben, das Dorf entlang zum Herrn Kurator gehen,
mich bei ihm anmelden, wie sich gebührt. Bei dieser
Gelegenheit werf' ich im Vorübergehen auch ein Blick-
chen nach dem alten, lieben Schloß. -- Wer mag
darin hausen? Hätte doch Fräulein Ottilie befragen
sollen.

Und Anton ging langsam durch's Dorf, voll
Erwartung, wer von alten Bekannten ihm begegnen,
wer der Erste sein werde, der ihn erkenne, der sich sei-
ner erinnern möge. Doch wie er seine Augen forschend
rechts und links, hinüber und herüber nach Häusern
und Hütten sendete, ... nirgend kam ihm ein
menschliches Wesen in den Wurf. Alles wie aus-
gestorben.

Endlich überholte er den völlig zusammengekrümm-
ten, uralten Tischler Fiebig, denselben, der damals
den Sarg für den schwarzen Wolfgang geliefert; der

jungen das Gitterthor aufgelaſſen und ein Schwein
liegt am Grabe und wuͤhlt den Huͤgel mit ſchmutzigem
Ruͤſſel auf. — Da macht Tieletunke den Fenſterfluͤgel
zu; ich bin ihr mit meinem Anblick zur Laſt, wie es
ſcheint? Wohlan, ich kann auch anderswo dieſe auf-
erbaulichen Selbſtgeſpraͤche fortſetzen. Und darum
will ich, um nur gleich das Schlimmſte hinter mir zu
haben, das Dorf entlang zum Herrn Kurator gehen,
mich bei ihm anmelden, wie ſich gebuͤhrt. Bei dieſer
Gelegenheit werf’ ich im Voruͤbergehen auch ein Blick-
chen nach dem alten, lieben Schloß. — Wer mag
darin hauſen? Haͤtte doch Fraͤulein Ottilie befragen
ſollen.

Und Anton ging langſam durch’s Dorf, voll
Erwartung, wer von alten Bekannten ihm begegnen,
wer der Erſte ſein werde, der ihn erkenne, der ſich ſei-
ner erinnern moͤge. Doch wie er ſeine Augen forſchend
rechts und links, hinuͤber und heruͤber nach Haͤuſern
und Huͤtten ſendete, ... nirgend kam ihm ein
menſchliches Weſen in den Wurf. Alles wie aus-
geſtorben.

Endlich uͤberholte er den voͤllig zuſammengekruͤmm-
ten, uralten Tiſchler Fiebig, denſelben, der damals
den Sarg fuͤr den ſchwarzen Wolfgang geliefert; der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0096" n="92"/>
jungen das Gitterthor aufgela&#x017F;&#x017F;en und ein Schwein<lb/>
liegt am Grabe und wu&#x0364;hlt den Hu&#x0364;gel mit &#x017F;chmutzigem<lb/>
Ru&#x0364;&#x017F;&#x017F;el auf. &#x2014; Da macht Tieletunke den Fen&#x017F;terflu&#x0364;gel<lb/>
zu; ich bin ihr mit meinem Anblick zur La&#x017F;t, wie es<lb/>
&#x017F;cheint? Wohlan, ich kann auch anderswo die&#x017F;e auf-<lb/>
erbaulichen Selb&#x017F;tge&#x017F;pra&#x0364;che fort&#x017F;etzen. Und darum<lb/>
will ich, um nur gleich das Schlimm&#x017F;te hinter mir zu<lb/>
haben, das Dorf entlang zum Herrn Kurator gehen,<lb/>
mich bei ihm anmelden, wie &#x017F;ich gebu&#x0364;hrt. Bei die&#x017F;er<lb/>
Gelegenheit werf&#x2019; ich im Voru&#x0364;bergehen auch ein Blick-<lb/>
chen nach dem alten, lieben Schloß. &#x2014; Wer mag<lb/>
darin hau&#x017F;en? Ha&#x0364;tte doch Fra&#x0364;ulein Ottilie befragen<lb/>
&#x017F;ollen.</p><lb/>
        <p>Und Anton ging lang&#x017F;am durch&#x2019;s Dorf, voll<lb/>
Erwartung, wer von alten Bekannten ihm begegnen,<lb/>
wer der Er&#x017F;te &#x017F;ein werde, der ihn erkenne, der &#x017F;ich &#x017F;ei-<lb/>
ner erinnern mo&#x0364;ge. Doch wie er &#x017F;eine Augen for&#x017F;chend<lb/>
rechts und links, hinu&#x0364;ber und heru&#x0364;ber nach Ha&#x0364;u&#x017F;ern<lb/>
und Hu&#x0364;tten &#x017F;endete, ... nirgend kam ihm ein<lb/>
men&#x017F;chliches We&#x017F;en in den Wurf. Alles wie aus-<lb/>
ge&#x017F;torben.</p><lb/>
        <p>Endlich u&#x0364;berholte er den vo&#x0364;llig zu&#x017F;ammengekru&#x0364;mm-<lb/>
ten, uralten Ti&#x017F;chler Fiebig, den&#x017F;elben, der damals<lb/>
den Sarg fu&#x0364;r den &#x017F;chwarzen Wolfgang geliefert; der<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[92/0096] jungen das Gitterthor aufgelaſſen und ein Schwein liegt am Grabe und wuͤhlt den Huͤgel mit ſchmutzigem Ruͤſſel auf. — Da macht Tieletunke den Fenſterfluͤgel zu; ich bin ihr mit meinem Anblick zur Laſt, wie es ſcheint? Wohlan, ich kann auch anderswo dieſe auf- erbaulichen Selbſtgeſpraͤche fortſetzen. Und darum will ich, um nur gleich das Schlimmſte hinter mir zu haben, das Dorf entlang zum Herrn Kurator gehen, mich bei ihm anmelden, wie ſich gebuͤhrt. Bei dieſer Gelegenheit werf’ ich im Voruͤbergehen auch ein Blick- chen nach dem alten, lieben Schloß. — Wer mag darin hauſen? Haͤtte doch Fraͤulein Ottilie befragen ſollen. Und Anton ging langſam durch’s Dorf, voll Erwartung, wer von alten Bekannten ihm begegnen, wer der Erſte ſein werde, der ihn erkenne, der ſich ſei- ner erinnern moͤge. Doch wie er ſeine Augen forſchend rechts und links, hinuͤber und heruͤber nach Haͤuſern und Huͤtten ſendete, ... nirgend kam ihm ein menſchliches Weſen in den Wurf. Alles wie aus- geſtorben. Endlich uͤberholte er den voͤllig zuſammengekruͤmm- ten, uralten Tiſchler Fiebig, denſelben, der damals den Sarg fuͤr den ſchwarzen Wolfgang geliefert; der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/96
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/96>, abgerufen am 27.04.2024.