Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852.aus der Kinderzeit. Er grüßte Anton wie einen Es wird mich Niemand mehr erkennen, im gan- aus der Kinderzeit. Er gruͤßte Anton wie einen Es wird mich Niemand mehr erkennen, im gan- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0089" n="85"/> aus der Kinderzeit. Er gruͤßte Anton wie einen<lb/> Fremden und ging voruͤber; die Hunde knurrten und<lb/> Gottlieb mußte ſie beſchwichtigen.</p><lb/> <p>Es wird mich Niemand mehr erkennen, im gan-<lb/> zen Dorfe nicht, ſeufzte Anton, ſo wenig wie Schaͤ-<lb/> fers Gottliebel. Meine Großmutter, die wuͤrde mich<lb/> erkennen, aber die iſt begraben. Es iſt auch freilich<lb/> bald ſieben Jahre her, daß ich fortlief, — ſieben<lb/> Jahre! — Mir kommt’s vor, als wenn es ſiebenzig<lb/> waͤren, ſo Vielerlei iſt mir begegnet, daß ich es gar<lb/> nicht durchdenken kann, ohne ſchwindlich zu werden;<lb/> wenigſtens heute nicht. Und dann wieder, wenn ich<lb/> nach dem Dorfe ſchaue, nach dem Kirchthurm, da iſt<lb/> mir wieder, als waͤren’s kaum ſieben Tage, daß ich<lb/> abweſend war. Zuletzt laͤuft Alles auf Eines hinaus,<lb/> und wenn der Menſch erſt todt iſt, machen ſiebenzig<lb/> Jahre nicht mehr aus, wie ſiebenzig Minuten, ſechs-<lb/> zig auf die Stunde gerechnet. Wie geſagt, zuletzt<lb/> laͤuft Alles auf eins hinaus und iſt Alles nur Ein-<lb/> bildung: Freude und Schmerz, Gluͤck und Elend,<lb/> Trennung und Wiederſehen. Die ganze Geſchichte<lb/> iſt nicht werth, daß man ſich plagt, abaͤngſtiget,<lb/> betruͤbt. Was war’s nun, daß ich mir damals ein-<lb/> bildete, hier koͤnnt’ ich’s nicht laͤnger aushalten, ich<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [85/0089]
aus der Kinderzeit. Er gruͤßte Anton wie einen
Fremden und ging voruͤber; die Hunde knurrten und
Gottlieb mußte ſie beſchwichtigen.
Es wird mich Niemand mehr erkennen, im gan-
zen Dorfe nicht, ſeufzte Anton, ſo wenig wie Schaͤ-
fers Gottliebel. Meine Großmutter, die wuͤrde mich
erkennen, aber die iſt begraben. Es iſt auch freilich
bald ſieben Jahre her, daß ich fortlief, — ſieben
Jahre! — Mir kommt’s vor, als wenn es ſiebenzig
waͤren, ſo Vielerlei iſt mir begegnet, daß ich es gar
nicht durchdenken kann, ohne ſchwindlich zu werden;
wenigſtens heute nicht. Und dann wieder, wenn ich
nach dem Dorfe ſchaue, nach dem Kirchthurm, da iſt
mir wieder, als waͤren’s kaum ſieben Tage, daß ich
abweſend war. Zuletzt laͤuft Alles auf Eines hinaus,
und wenn der Menſch erſt todt iſt, machen ſiebenzig
Jahre nicht mehr aus, wie ſiebenzig Minuten, ſechs-
zig auf die Stunde gerechnet. Wie geſagt, zuletzt
laͤuft Alles auf eins hinaus und iſt Alles nur Ein-
bildung: Freude und Schmerz, Gluͤck und Elend,
Trennung und Wiederſehen. Die ganze Geſchichte
iſt nicht werth, daß man ſich plagt, abaͤngſtiget,
betruͤbt. Was war’s nun, daß ich mir damals ein-
bildete, hier koͤnnt’ ich’s nicht laͤnger aushalten, ich
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