Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

des Esels, das Meckern des Ziegenbocks, das Gestöhn'
der Unke und das Gebell des Hundes. Erst nachdem
der Halberwachte hin und wieder einzelne Worte,
dann sogar ganze Zeilen verstand, die alten Freunden
gleich sein Gedächtniß mahnten, fing er zu begreifen
an, daß er sich eines Nachbars erfreue, welcher mit
allen Modulationen des umfassendsten Sprechorganes,
deklamatorische Morgenübungen anstelle.

Schiller ward nicht geschont, Tiedge heftig gemiß-
handelt, Kosegarten mußte mit einigen Naturschilde-
rungen herhalten, A. W. Schlegels Arion lieferte
einen großmüthigen Delphin, durch welchen Anton
an Herrn Zara's Robbe erinnert wurde; sogar die
Braut von Korinth stieg aus ihrem Grabe, und
wollte nicht weichen, bis das Geklapper des Kaffee-
geschirres sie vertrieb, wo sie verstummte vor der
Dienstmagd des Gasthauses. Letztere stellte sich denn
auch bald bei Anton ein, nach seinen Bedürfnissen zu
forschen; auf sein Befragen vernahm dieser aus ihrem
Munde, daß sein Nachbar ein sogenannter "Theekla-
mater" sei, der heute allhier in St. eine "Sauaree"
veranstalten werde, zu welcher sich sämmtliche Hono-
ratioren einfinden, auch viele Gutsbesitzerfamilien
aus der Nachbarschaft erscheinen würden.

des Eſels, das Meckern des Ziegenbocks, das Geſtoͤhn’
der Unke und das Gebell des Hundes. Erſt nachdem
der Halberwachte hin und wieder einzelne Worte,
dann ſogar ganze Zeilen verſtand, die alten Freunden
gleich ſein Gedaͤchtniß mahnten, fing er zu begreifen
an, daß er ſich eines Nachbars erfreue, welcher mit
allen Modulationen des umfaſſendſten Sprechorganes,
deklamatoriſche Morgenuͤbungen anſtelle.

Schiller ward nicht geſchont, Tiedge heftig gemiß-
handelt, Koſegarten mußte mit einigen Naturſchilde-
rungen herhalten, A. W. Schlegels Arion lieferte
einen großmuͤthigen Delphin, durch welchen Anton
an Herrn Zara’s Robbe erinnert wurde; ſogar die
Braut von Korinth ſtieg aus ihrem Grabe, und
wollte nicht weichen, bis das Geklapper des Kaffee-
geſchirres ſie vertrieb, wo ſie verſtummte vor der
Dienſtmagd des Gaſthauſes. Letztere ſtellte ſich denn
auch bald bei Anton ein, nach ſeinen Beduͤrfniſſen zu
forſchen; auf ſein Befragen vernahm dieſer aus ihrem
Munde, daß ſein Nachbar ein ſogenannter „Theekla-
mater“ ſei, der heute allhier in St. eine „Sauaree“
veranſtalten werde, zu welcher ſich ſaͤmmtliche Hono-
ratioren einfinden, auch viele Gutsbeſitzerfamilien
aus der Nachbarſchaft erſcheinen wuͤrden.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0074" n="70"/>
des E&#x017F;els, das Meckern des Ziegenbocks, das Ge&#x017F;to&#x0364;hn&#x2019;<lb/>
der Unke und das Gebell des Hundes. Er&#x017F;t nachdem<lb/>
der Halberwachte hin und wieder einzelne Worte,<lb/>
dann &#x017F;ogar ganze Zeilen ver&#x017F;tand, die alten Freunden<lb/>
gleich &#x017F;ein Geda&#x0364;chtniß mahnten, fing er zu begreifen<lb/>
an, daß er &#x017F;ich eines Nachbars erfreue, welcher mit<lb/>
allen Modulationen des umfa&#x017F;&#x017F;end&#x017F;ten Sprechorganes,<lb/>
deklamatori&#x017F;che Morgenu&#x0364;bungen an&#x017F;telle.</p><lb/>
        <p>Schiller ward nicht ge&#x017F;chont, Tiedge heftig gemiß-<lb/>
handelt, Ko&#x017F;egarten mußte mit einigen Natur&#x017F;childe-<lb/>
rungen herhalten, A. W. Schlegels Arion lieferte<lb/>
einen großmu&#x0364;thigen Delphin, durch welchen Anton<lb/>
an Herrn Zara&#x2019;s Robbe erinnert wurde; &#x017F;ogar die<lb/>
Braut von Korinth &#x017F;tieg aus ihrem Grabe, und<lb/>
wollte nicht weichen, bis das Geklapper des Kaffee-<lb/>
ge&#x017F;chirres &#x017F;ie vertrieb, wo &#x017F;ie ver&#x017F;tummte vor der<lb/>
Dien&#x017F;tmagd des Ga&#x017F;thau&#x017F;es. Letztere &#x017F;tellte &#x017F;ich denn<lb/>
auch bald bei Anton ein, nach &#x017F;einen Bedu&#x0364;rfni&#x017F;&#x017F;en zu<lb/>
for&#x017F;chen; auf &#x017F;ein Befragen vernahm die&#x017F;er aus ihrem<lb/>
Munde, daß &#x017F;ein Nachbar ein &#x017F;ogenannter &#x201E;Theekla-<lb/>
mater&#x201C; &#x017F;ei, der heute allhier in St. eine &#x201E;Sauaree&#x201C;<lb/>
veran&#x017F;talten werde, zu welcher &#x017F;ich &#x017F;a&#x0364;mmtliche Hono-<lb/>
ratioren einfinden, auch viele Gutsbe&#x017F;itzerfamilien<lb/>
aus der Nachbar&#x017F;chaft er&#x017F;cheinen wu&#x0364;rden.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[70/0074] des Eſels, das Meckern des Ziegenbocks, das Geſtoͤhn’ der Unke und das Gebell des Hundes. Erſt nachdem der Halberwachte hin und wieder einzelne Worte, dann ſogar ganze Zeilen verſtand, die alten Freunden gleich ſein Gedaͤchtniß mahnten, fing er zu begreifen an, daß er ſich eines Nachbars erfreue, welcher mit allen Modulationen des umfaſſendſten Sprechorganes, deklamatoriſche Morgenuͤbungen anſtelle. Schiller ward nicht geſchont, Tiedge heftig gemiß- handelt, Koſegarten mußte mit einigen Naturſchilde- rungen herhalten, A. W. Schlegels Arion lieferte einen großmuͤthigen Delphin, durch welchen Anton an Herrn Zara’s Robbe erinnert wurde; ſogar die Braut von Korinth ſtieg aus ihrem Grabe, und wollte nicht weichen, bis das Geklapper des Kaffee- geſchirres ſie vertrieb, wo ſie verſtummte vor der Dienſtmagd des Gaſthauſes. Letztere ſtellte ſich denn auch bald bei Anton ein, nach ſeinen Beduͤrfniſſen zu forſchen; auf ſein Befragen vernahm dieſer aus ihrem Munde, daß ſein Nachbar ein ſogenannter „Theekla- mater“ ſei, der heute allhier in St. eine „Sauaree“ veranſtalten werde, zu welcher ſich ſaͤmmtliche Hono- ratioren einfinden, auch viele Gutsbeſitzerfamilien aus der Nachbarſchaft erſcheinen wuͤrden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/74
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/74>, abgerufen am 23.11.2024.