Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

und laut lästernd bei den Beamten herum; der Vater
ist kränker geworden, so daß man für sein Leben be-
sorgt sein muß; die Mutter, mit himmlischer Sanft-
muth und Würde, sucht zwischen beiden zu vermit-
teln; das ganze Hauspersonale ist in verschiedene
Partheien zerspalten, die sich wechselseitig auch an-
feinden; die Wirthschaft geht d'rüber und d'runter;
die Hunde schleichen mit gesenkten Ohren knurrend
vor der Schloßtreppe auf und ab; und die Ratzen
sind so frech geworden, daß sie in vorvoriger Nacht
einem im Stalle schlafenden Roßwärter die große
Zehe des rechten Fußes angefressen haben. Für die
Ratten, fügte Schkramprl hinzu, hab' ich Rath ge-
schafft und ihnen das Beissen einstweilen vertrieben;
aber für die Herrschaften weiß ich keinen. Das beste
Mittel wäre freilich, wie der Kammerdiener meinte,
wenn man dem jungen Herren auch ein Rattenpül-
verchen in den Wein rührte? Doch, wer mag so
etwas riskiren? Es ist untersagt, wie ich gehört habe.
Sonst wär's so übel nicht, denn der Patron ist von
einer herausfordernden Unverschämtheit. Nannte
er mich doch "Er!" Solch' ein Bürschchen! Mich,
den Riesen Schkramprl! -- Jch hab' es ihm aber
wieder gegeben. Monsieur le Comte, sagt' ich --

und laut laͤſternd bei den Beamten herum; der Vater
iſt kraͤnker geworden, ſo daß man fuͤr ſein Leben be-
ſorgt ſein muß; die Mutter, mit himmliſcher Sanft-
muth und Wuͤrde, ſucht zwiſchen beiden zu vermit-
teln; das ganze Hausperſonale iſt in verſchiedene
Partheien zerſpalten, die ſich wechſelſeitig auch an-
feinden; die Wirthſchaft geht d’ruͤber und d’runter;
die Hunde ſchleichen mit geſenkten Ohren knurrend
vor der Schloßtreppe auf und ab; und die Ratzen
ſind ſo frech geworden, daß ſie in vorvoriger Nacht
einem im Stalle ſchlafenden Roßwaͤrter die große
Zehe des rechten Fußes angefreſſen haben. Fuͤr die
Ratten, fuͤgte Schkramprl hinzu, hab’ ich Rath ge-
ſchafft und ihnen das Beiſſen einſtweilen vertrieben;
aber fuͤr die Herrſchaften weiß ich keinen. Das beſte
Mittel waͤre freilich, wie der Kammerdiener meinte,
wenn man dem jungen Herren auch ein Rattenpuͤl-
verchen in den Wein ruͤhrte? Doch, wer mag ſo
etwas riskiren? Es iſt unterſagt, wie ich gehoͤrt habe.
Sonſt waͤr’s ſo uͤbel nicht, denn der Patron iſt von
einer herausfordernden Unverſchaͤmtheit. Nannte
er mich doch „Er!“ Solch’ ein Buͤrſchchen! Mich,
den Rieſen Schkramprl! — Jch hab’ es ihm aber
wieder gegeben. Monsieur le Comte, ſagt’ ich —

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0057" n="53"/>
und laut la&#x0364;&#x017F;ternd bei den Beamten herum; der Vater<lb/>
i&#x017F;t kra&#x0364;nker geworden, &#x017F;o daß man fu&#x0364;r &#x017F;ein Leben be-<lb/>
&#x017F;orgt &#x017F;ein muß; die Mutter, mit himmli&#x017F;cher Sanft-<lb/>
muth und Wu&#x0364;rde, &#x017F;ucht zwi&#x017F;chen beiden zu vermit-<lb/>
teln; das ganze Hausper&#x017F;onale i&#x017F;t in ver&#x017F;chiedene<lb/>
Partheien zer&#x017F;palten, die &#x017F;ich wech&#x017F;el&#x017F;eitig auch an-<lb/>
feinden; die Wirth&#x017F;chaft geht d&#x2019;ru&#x0364;ber und d&#x2019;runter;<lb/>
die Hunde &#x017F;chleichen mit ge&#x017F;enkten Ohren knurrend<lb/>
vor der Schloßtreppe auf und ab; und die Ratzen<lb/>
&#x017F;ind &#x017F;o frech geworden, daß &#x017F;ie in vorvoriger Nacht<lb/>
einem im Stalle &#x017F;chlafenden Roßwa&#x0364;rter die große<lb/>
Zehe des rechten Fußes angefre&#x017F;&#x017F;en haben. Fu&#x0364;r die<lb/>
Ratten, fu&#x0364;gte Schkramprl hinzu, hab&#x2019; ich Rath ge-<lb/>
&#x017F;chafft und ihnen das Bei&#x017F;&#x017F;en ein&#x017F;tweilen vertrieben;<lb/>
aber fu&#x0364;r die Herr&#x017F;chaften weiß ich keinen. Das be&#x017F;te<lb/>
Mittel wa&#x0364;re freilich, wie der Kammerdiener meinte,<lb/>
wenn man dem jungen Herren auch ein Rattenpu&#x0364;l-<lb/>
verchen in den Wein ru&#x0364;hrte? Doch, wer mag &#x017F;o<lb/>
etwas riskiren? Es i&#x017F;t unter&#x017F;agt, wie ich geho&#x0364;rt habe.<lb/>
Son&#x017F;t wa&#x0364;r&#x2019;s &#x017F;o u&#x0364;bel nicht, denn der Patron i&#x017F;t von<lb/>
einer herausfordernden Unver&#x017F;cha&#x0364;mtheit. Nannte<lb/>
er mich doch &#x201E;Er!&#x201C; Solch&#x2019; ein Bu&#x0364;r&#x017F;chchen! Mich,<lb/>
den Rie&#x017F;en Schkramprl! &#x2014; Jch hab&#x2019; es ihm aber<lb/>
wieder gegeben. <hi rendition="#aq">Monsieur le Comte,</hi> &#x017F;agt&#x2019; ich &#x2014;<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[53/0057] und laut laͤſternd bei den Beamten herum; der Vater iſt kraͤnker geworden, ſo daß man fuͤr ſein Leben be- ſorgt ſein muß; die Mutter, mit himmliſcher Sanft- muth und Wuͤrde, ſucht zwiſchen beiden zu vermit- teln; das ganze Hausperſonale iſt in verſchiedene Partheien zerſpalten, die ſich wechſelſeitig auch an- feinden; die Wirthſchaft geht d’ruͤber und d’runter; die Hunde ſchleichen mit geſenkten Ohren knurrend vor der Schloßtreppe auf und ab; und die Ratzen ſind ſo frech geworden, daß ſie in vorvoriger Nacht einem im Stalle ſchlafenden Roßwaͤrter die große Zehe des rechten Fußes angefreſſen haben. Fuͤr die Ratten, fuͤgte Schkramprl hinzu, hab’ ich Rath ge- ſchafft und ihnen das Beiſſen einſtweilen vertrieben; aber fuͤr die Herrſchaften weiß ich keinen. Das beſte Mittel waͤre freilich, wie der Kammerdiener meinte, wenn man dem jungen Herren auch ein Rattenpuͤl- verchen in den Wein ruͤhrte? Doch, wer mag ſo etwas riskiren? Es iſt unterſagt, wie ich gehoͤrt habe. Sonſt waͤr’s ſo uͤbel nicht, denn der Patron iſt von einer herausfordernden Unverſchaͤmtheit. Nannte er mich doch „Er!“ Solch’ ein Buͤrſchchen! Mich, den Rieſen Schkramprl! — Jch hab’ es ihm aber wieder gegeben. Monsieur le Comte, ſagt’ ich —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/57
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/57>, abgerufen am 28.04.2024.