Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

mich dessen. Daß Julia Dir Mutter werde, bedarf
es der dringenden Mahnung dieses Briefes nicht.
Du selbst sollst bestimmen, was wir für Dich thun,
in welche Formen wir unsere Pflichten für Dich klei-
den dürfen. Für's Erste bleibe einige Tage hier, daß
ich Dich, daß ich Deine Vergangenheit kennen lerne.
Unterdessen kehrt die Gräfin aus Sophienthal heim,
und dann ..."

Diese Rede ward unterbrochen durch das Geräusch
eines am Schlosse vorfahrenden Wagens, dem der
Graf aufmerksames Gehör zuwendete, wobei der
Ausdruck ängstlicher Besorgniß seine bisher freund-
lichen Mienen verdüsterte. Er hieß Anton nach dem
Vorzimmer gehen und einen Diener herbeirufen; als
dieser kam, fragte er hastig: wer war's? und als der
Diener entgegnete: der junge Graf! warf sich Guido
halb zornig, halb niedergeschlagen in seinen Lehnstuhl
zurück, laut ausrufend: Den führt ein böser Geist
um diese Stunde nach Hause!

Anton begriff, daß er in einem Sohne seines
Vaters, den eine solche Aeußerung empfing, keinen
Bruder zu erwarten habe, und fragte bescheiden, ob
er sich entfernen solle?

Graf Guido winkte ihm, zu bleiben.

mich deſſen. Daß Julia Dir Mutter werde, bedarf
es der dringenden Mahnung dieſes Briefes nicht.
Du ſelbſt ſollſt beſtimmen, was wir fuͤr Dich thun,
in welche Formen wir unſere Pflichten fuͤr Dich klei-
den duͤrfen. Fuͤr’s Erſte bleibe einige Tage hier, daß
ich Dich, daß ich Deine Vergangenheit kennen lerne.
Unterdeſſen kehrt die Graͤfin aus Sophienthal heim,
und dann ...“

Dieſe Rede ward unterbrochen durch das Geraͤuſch
eines am Schloſſe vorfahrenden Wagens, dem der
Graf aufmerkſames Gehoͤr zuwendete, wobei der
Ausdruck aͤngſtlicher Beſorgniß ſeine bisher freund-
lichen Mienen verduͤſterte. Er hieß Anton nach dem
Vorzimmer gehen und einen Diener herbeirufen; als
dieſer kam, fragte er haſtig: wer war’s? und als der
Diener entgegnete: der junge Graf! warf ſich Guido
halb zornig, halb niedergeſchlagen in ſeinen Lehnſtuhl
zuruͤck, laut ausrufend: Den fuͤhrt ein boͤſer Geiſt
um dieſe Stunde nach Hauſe!

Anton begriff, daß er in einem Sohne ſeines
Vaters, den eine ſolche Aeußerung empfing, keinen
Bruder zu erwarten habe, und fragte beſcheiden, ob
er ſich entfernen ſolle?

Graf Guido winkte ihm, zu bleiben.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0036" n="32"/>
mich de&#x017F;&#x017F;en. Daß Julia Dir Mutter werde, bedarf<lb/>
es der dringenden Mahnung die&#x017F;es Briefes nicht.<lb/>
Du &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;oll&#x017F;t be&#x017F;timmen, was wir fu&#x0364;r Dich thun,<lb/>
in welche Formen wir un&#x017F;ere Pflichten fu&#x0364;r Dich klei-<lb/>
den du&#x0364;rfen. Fu&#x0364;r&#x2019;s Er&#x017F;te bleibe einige Tage hier, daß<lb/>
ich Dich, daß ich Deine Vergangenheit kennen lerne.<lb/>
Unterde&#x017F;&#x017F;en kehrt die Gra&#x0364;fin aus Sophienthal heim,<lb/>
und dann ...&#x201C;</p><lb/>
        <p>Die&#x017F;e Rede ward unterbrochen durch das Gera&#x0364;u&#x017F;ch<lb/>
eines am Schlo&#x017F;&#x017F;e vorfahrenden Wagens, dem der<lb/>
Graf aufmerk&#x017F;ames Geho&#x0364;r zuwendete, wobei der<lb/>
Ausdruck a&#x0364;ng&#x017F;tlicher Be&#x017F;orgniß &#x017F;eine bisher freund-<lb/>
lichen Mienen verdu&#x0364;&#x017F;terte. Er hieß Anton nach dem<lb/>
Vorzimmer gehen und einen Diener herbeirufen; als<lb/>
die&#x017F;er kam, fragte er ha&#x017F;tig: wer war&#x2019;s? und als der<lb/>
Diener entgegnete: der junge Graf! warf &#x017F;ich Guido<lb/>
halb zornig, halb niederge&#x017F;chlagen in &#x017F;einen Lehn&#x017F;tuhl<lb/>
zuru&#x0364;ck, laut ausrufend: Den fu&#x0364;hrt ein bo&#x0364;&#x017F;er Gei&#x017F;t<lb/>
um <hi rendition="#g">die&#x017F;e</hi> Stunde nach Hau&#x017F;e!</p><lb/>
        <p>Anton begriff, daß er in einem Sohne &#x017F;eines<lb/>
Vaters, den eine &#x017F;olche Aeußerung empfing, keinen<lb/>
Bruder zu erwarten habe, und fragte be&#x017F;cheiden, ob<lb/>
er &#x017F;ich entfernen &#x017F;olle?</p><lb/>
        <p>Graf Guido winkte ihm, zu bleiben.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[32/0036] mich deſſen. Daß Julia Dir Mutter werde, bedarf es der dringenden Mahnung dieſes Briefes nicht. Du ſelbſt ſollſt beſtimmen, was wir fuͤr Dich thun, in welche Formen wir unſere Pflichten fuͤr Dich klei- den duͤrfen. Fuͤr’s Erſte bleibe einige Tage hier, daß ich Dich, daß ich Deine Vergangenheit kennen lerne. Unterdeſſen kehrt die Graͤfin aus Sophienthal heim, und dann ...“ Dieſe Rede ward unterbrochen durch das Geraͤuſch eines am Schloſſe vorfahrenden Wagens, dem der Graf aufmerkſames Gehoͤr zuwendete, wobei der Ausdruck aͤngſtlicher Beſorgniß ſeine bisher freund- lichen Mienen verduͤſterte. Er hieß Anton nach dem Vorzimmer gehen und einen Diener herbeirufen; als dieſer kam, fragte er haſtig: wer war’s? und als der Diener entgegnete: der junge Graf! warf ſich Guido halb zornig, halb niedergeſchlagen in ſeinen Lehnſtuhl zuruͤck, laut ausrufend: Den fuͤhrt ein boͤſer Geiſt um dieſe Stunde nach Hauſe! Anton begriff, daß er in einem Sohne ſeines Vaters, den eine ſolche Aeußerung empfing, keinen Bruder zu erwarten habe, und fragte beſcheiden, ob er ſich entfernen ſolle? Graf Guido winkte ihm, zu bleiben.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/36
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/36>, abgerufen am 29.03.2024.