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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852.

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Mitleid verkläre. Gott sandte ihn mir, ich sende ihn
der Gräfin Julia! Er hat in unstäten Wanderungen,
in Thorheiten und Jrrthümern ein reines Herz
bewahrt. Er ist würdig, durch Gräfin Julia seinem
Vater an's Herz gelegt zu werden. Gott hat es also
gefügt. Sie verkennen diese Fügung nicht; dessen
bin ich gewiß und so sterb' ich ruhig und gern. Der
Segen einer armen Sünderin dringe aus dürftiger
Todtenstube in Jhres Schlosses Hallen.

Antoinette."

Guido hatte diesen Brief laut vorgelesen, mit
fester Stimme, gleichsam um sich den Jnhalt und die
Bedeutung desselben recht in's Gemüth zu führen.
Er sagte dann zu Anton:

Es war nicht unsere Schuld, daß von unserer
Seite nichts für Dich geschehen konnte; weder meine
Schuld, noch meiner seligen Mutter, am allerwenig-
sten meiner guten Frau, die, nachdem sie durch mich
von Deiner Existenz erfuhr, tief bekümmert war, nicht
für Dich sorgen zu dürfen. Deine Mutter hatte es
also gewollt: die furchtbarste Drohung ward durch
sie an jeden Versuch geknüpft, den wir gewagt hätten,
Dir hülfreich zu sein. Auch wähnte ich Dich, mit
ihr, in weiter Ferne. Jetzt bist Du hier und ich freue

Mitleid verklaͤre. Gott ſandte ihn mir, ich ſende ihn
der Graͤfin Julia! Er hat in unſtaͤten Wanderungen,
in Thorheiten und Jrrthuͤmern ein reines Herz
bewahrt. Er iſt wuͤrdig, durch Graͤfin Julia ſeinem
Vater an’s Herz gelegt zu werden. Gott hat es alſo
gefuͤgt. Sie verkennen dieſe Fuͤgung nicht; deſſen
bin ich gewiß und ſo ſterb’ ich ruhig und gern. Der
Segen einer armen Suͤnderin dringe aus duͤrftiger
Todtenſtube in Jhres Schloſſes Hallen.

Antoinette.

Guido hatte dieſen Brief laut vorgeleſen, mit
feſter Stimme, gleichſam um ſich den Jnhalt und die
Bedeutung deſſelben recht in’s Gemuͤth zu fuͤhren.
Er ſagte dann zu Anton:

Es war nicht unſere Schuld, daß von unſerer
Seite nichts fuͤr Dich geſchehen konnte; weder meine
Schuld, noch meiner ſeligen Mutter, am allerwenig-
ſten meiner guten Frau, die, nachdem ſie durch mich
von Deiner Exiſtenz erfuhr, tief bekuͤmmert war, nicht
fuͤr Dich ſorgen zu duͤrfen. Deine Mutter hatte es
alſo gewollt: die furchtbarſte Drohung ward durch
ſie an jeden Verſuch geknuͤpft, den wir gewagt haͤtten,
Dir huͤlfreich zu ſein. Auch waͤhnte ich Dich, mit
ihr, in weiter Ferne. Jetzt biſt Du hier und ich freue

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[31/0035] Mitleid verklaͤre. Gott ſandte ihn mir, ich ſende ihn der Graͤfin Julia! Er hat in unſtaͤten Wanderungen, in Thorheiten und Jrrthuͤmern ein reines Herz bewahrt. Er iſt wuͤrdig, durch Graͤfin Julia ſeinem Vater an’s Herz gelegt zu werden. Gott hat es alſo gefuͤgt. Sie verkennen dieſe Fuͤgung nicht; deſſen bin ich gewiß und ſo ſterb’ ich ruhig und gern. Der Segen einer armen Suͤnderin dringe aus duͤrftiger Todtenſtube in Jhres Schloſſes Hallen. Antoinette.“ Guido hatte dieſen Brief laut vorgeleſen, mit feſter Stimme, gleichſam um ſich den Jnhalt und die Bedeutung deſſelben recht in’s Gemuͤth zu fuͤhren. Er ſagte dann zu Anton: Es war nicht unſere Schuld, daß von unſerer Seite nichts fuͤr Dich geſchehen konnte; weder meine Schuld, noch meiner ſeligen Mutter, am allerwenig- ſten meiner guten Frau, die, nachdem ſie durch mich von Deiner Exiſtenz erfuhr, tief bekuͤmmert war, nicht fuͤr Dich ſorgen zu duͤrfen. Deine Mutter hatte es alſo gewollt: die furchtbarſte Drohung ward durch ſie an jeden Verſuch geknuͤpft, den wir gewagt haͤtten, Dir huͤlfreich zu ſein. Auch waͤhnte ich Dich, mit ihr, in weiter Ferne. Jetzt biſt Du hier und ich freue

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/35>, abgerufen am 24.11.2024.