menschenfreundliche Vorfahren dereinst die arme Antoi- nette begrüßt hatten.
Auch das Geschlecht der Besitzer hat seitdem gewechselt und wenn es nicht Urenkel sind, denen er entgegentreten soll, ist es doch der Sohn jener stren- gen, edlen Gräfin, welchem er nun (als Sohn) Vater- liebe abgewinnen will.
Den Wanderburschen hat er im Gasthause gelassen. Jn schwarzem Kleide, wie man zum Feste geht, mit der Haltung eines fein gebildeten Mannes, nähert er sich den Stufen, vor denen damals seine Mutter um Einlaß bat.
Er fragt zunächst nach der Gräfin, für die das Schreiben der Verstorbenen bestimmt ist. Ein Kam- merdiener -- nicht mehr der graue, treue Diener und Vertraute der Familie, denn er ist längst geschieden, seiner alten Herrschaft zu folgen, -- giebt ihm kund, daß die Gräfin abwesend sei, auf einem Ausflug nach ihrem lieben Sophienthal begriffen. Der Graf sei zu Hause und er könne gemeldet werden, obwohl Seine gräflichen Gnaden leidend wäre.
Anton schwankt. Seine zuckenden Fingerspitzen halten das Schreiben, welches er schon, wie eine vor- zuzeigende Beglaubigung in Bereitschaft hat; der
menſchenfreundliche Vorfahren dereinſt die arme Antoi- nette begruͤßt hatten.
Auch das Geſchlecht der Beſitzer hat ſeitdem gewechſelt und wenn es nicht Urenkel ſind, denen er entgegentreten ſoll, iſt es doch der Sohn jener ſtren- gen, edlen Graͤfin, welchem er nun (als Sohn) Vater- liebe abgewinnen will.
Den Wanderburſchen hat er im Gaſthauſe gelaſſen. Jn ſchwarzem Kleide, wie man zum Feſte geht, mit der Haltung eines fein gebildeten Mannes, naͤhert er ſich den Stufen, vor denen damals ſeine Mutter um Einlaß bat.
Er fragt zunaͤchſt nach der Graͤfin, fuͤr die das Schreiben der Verſtorbenen beſtimmt iſt. Ein Kam- merdiener — nicht mehr der graue, treue Diener und Vertraute der Familie, denn er iſt laͤngſt geſchieden, ſeiner alten Herrſchaft zu folgen, — giebt ihm kund, daß die Graͤfin abweſend ſei, auf einem Ausflug nach ihrem lieben Sophienthal begriffen. Der Graf ſei zu Hauſe und er koͤnne gemeldet werden, obwohl Seine graͤflichen Gnaden leidend waͤre.
Anton ſchwankt. Seine zuckenden Fingerſpitzen halten das Schreiben, welches er ſchon, wie eine vor- zuzeigende Beglaubigung in Bereitſchaft hat; der
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menſchenfreundliche Vorfahren dereinſt die arme Antoi-
nette begruͤßt hatten.
Auch das Geſchlecht der Beſitzer hat ſeitdem
gewechſelt und wenn es nicht Urenkel ſind, denen er
entgegentreten ſoll, iſt es doch der Sohn jener ſtren-
gen, edlen Graͤfin, welchem er nun (als Sohn) Vater-
liebe abgewinnen will.
Den Wanderburſchen hat er im Gaſthauſe gelaſſen.
Jn ſchwarzem Kleide, wie man zum Feſte geht, mit
der Haltung eines fein gebildeten Mannes, naͤhert er
ſich den Stufen, vor denen damals ſeine Mutter um
Einlaß bat.
Er fragt zunaͤchſt nach der Graͤfin, fuͤr die das
Schreiben der Verſtorbenen beſtimmt iſt. Ein Kam-
merdiener — nicht mehr der graue, treue Diener und
Vertraute der Familie, denn er iſt laͤngſt geſchieden,
ſeiner alten Herrſchaft zu folgen, — giebt ihm kund,
daß die Graͤfin abweſend ſei, auf einem Ausflug nach
ihrem lieben Sophienthal begriffen. Der Graf ſei zu
Hauſe und er koͤnne gemeldet werden, obwohl Seine
graͤflichen Gnaden leidend waͤre.
Anton ſchwankt. Seine zuckenden Fingerſpitzen
halten das Schreiben, welches er ſchon, wie eine vor-
zuzeigende Beglaubigung in Bereitſchaft hat; der
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/30>, abgerufen am 26.07.2024.
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