und nachdem sie flüsternd einige Worte gewechselt, sagte der Mann: Gewiß, für Sie muß diese Sprach- maschine doppelten Werth haben. Der Accent, in welchem er dies sagte, verrieth meinen Landsmann. Jch fragte, ob ich die Ehre hätte, von ihm gekannt zu sein?
Wir haben Sie vor zwei Jahren in Berlin lesen hören, erwiederte er, und darauf bezog sich meine Voraussetzung, daß Alles, was in's Gebiet der Arti- kulation, der Sprach- und Sprechausbildung gehört, Sie besonders interessiren müsse. Uebrigens bin ich erstaunt, Sie hier zu finden! Es ist kaum einige Wochen her, daß ich von Jhrem Aufenthalte in einem Gebirgsdorfe las!
Mein Gott, sagte ich, solch' ein alter Vagabund von meiner Gattung ist bald hier, bald dort.
Die schöne Frau lachte und stieß ihren Mann mit dem Arme. Er lachte auch. Das Wort "Vagabund" schien sie zu amüsiren.
Dann wechselten wir noch einige verbindliche Redensarten hin und her und trennten uns.
Einige Jahre später fand ich diese Wiener Bekannt- schaft in B. wieder. Es war im Cirkus der Kunst-
und nachdem ſie fluͤſternd einige Worte gewechſelt, ſagte der Mann: Gewiß, fuͤr Sie muß dieſe Sprach- maſchine doppelten Werth haben. Der Accent, in welchem er dies ſagte, verrieth meinen Landsmann. Jch fragte, ob ich die Ehre haͤtte, von ihm gekannt zu ſein?
Wir haben Sie vor zwei Jahren in Berlin leſen hoͤren, erwiederte er, und darauf bezog ſich meine Vorausſetzung, daß Alles, was in’s Gebiet der Arti- kulation, der Sprach- und Sprechausbildung gehoͤrt, Sie beſonders intereſſiren muͤſſe. Uebrigens bin ich erſtaunt, Sie hier zu finden! Es iſt kaum einige Wochen her, daß ich von Jhrem Aufenthalte in einem Gebirgsdorfe las!
Mein Gott, ſagte ich, ſolch’ ein alter Vagabund von meiner Gattung iſt bald hier, bald dort.
Die ſchoͤne Frau lachte und ſtieß ihren Mann mit dem Arme. Er lachte auch. Das Wort „Vagabund“ ſchien ſie zu amuͤſiren.
Dann wechſelten wir noch einige verbindliche Redensarten hin und her und trennten uns.
Einige Jahre ſpaͤter fand ich dieſe Wiener Bekannt- ſchaft in B. wieder. Es war im Cirkus der Kunſt-
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und nachdem ſie fluͤſternd einige Worte gewechſelt,
ſagte der Mann: Gewiß, fuͤr Sie muß dieſe Sprach-
maſchine doppelten Werth haben. Der Accent, in
welchem er dies ſagte, verrieth meinen Landsmann.
Jch fragte, ob ich die Ehre haͤtte, von ihm gekannt
zu ſein?
Wir haben Sie vor zwei Jahren in Berlin leſen
hoͤren, erwiederte er, und darauf bezog ſich meine
Vorausſetzung, daß Alles, was in’s Gebiet der Arti-
kulation, der Sprach- und Sprechausbildung gehoͤrt,
Sie beſonders intereſſiren muͤſſe. Uebrigens bin ich
erſtaunt, Sie hier zu finden! Es iſt kaum einige
Wochen her, daß ich von Jhrem Aufenthalte in einem
Gebirgsdorfe las!
Mein Gott, ſagte ich, ſolch’ ein alter Vagabund
von meiner Gattung iſt bald hier, bald dort.
Die ſchoͤne Frau lachte und ſtieß ihren Mann mit
dem Arme. Er lachte auch. Das Wort „Vagabund“
ſchien ſie zu amuͤſiren.
Dann wechſelten wir noch einige verbindliche
Redensarten hin und her und trennten uns.
Einige Jahre ſpaͤter fand ich dieſe Wiener Bekannt-
ſchaft in B. wieder. Es war im Cirkus der Kunſt-
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/210>, abgerufen am 05.07.2024.
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