Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

reiter-Gesellschaft von Cuzent und Lejars, wo wir
zusammentrafen. Der Enthusiasmus, in welchen ich
durch den Anblick jener Reiterfamilie mich versetzt
fühlte, war zu heftig, um in meiner Brust Raum zu
finden; ich mußte meine Entzückung mittheilen und
ergoß mich in lebhaftesten Ausdrücken gegen die
Bekannten aus Wien, die ebenfalls einstimmten und
über die Anmuth der Madame Lejars, wie über die
Bravour der Demoiselle Pauline Cuzent nicht genug
des Lobes finden konnten. Als der Bruder dieser
Damen, Paul, sein wohldirigirtes Orchester verließ,
den Taktstab des Kompositeurs mit der Peitsche des
Stallmeisters zu vertauschen und seine fünf Schimmel
bändigend, die Bahn durchtobte, fragte meine holde
Nachbarin ihren Gatten: meinst Du, daß Monsieur
Antoine es so weit gebracht hätte?

"Sprich mir nicht von dem armen Teufel, Hed-
wig, mit seinem langweiligen Violin-Solo. Von
dergleichen hatten wir zu meiner Zeit keine Ahnung.
Da glaubte man, das Aeußerste sei erreicht, wenn
Furioso auf zwei Pferden seinen Ritt machte!"

Er sagte dies so laut, daß ich jede Silbe verstand.
Mein Erstaunen wahrnehmend, fuhr er fort:

"Es muß Sie nicht Wunder nehmen, wenn ich

reiter-Geſellſchaft von Cuzent und Léjars, wo wir
zuſammentrafen. Der Enthuſiasmus, in welchen ich
durch den Anblick jener Reiterfamilie mich verſetzt
fuͤhlte, war zu heftig, um in meiner Bruſt Raum zu
finden; ich mußte meine Entzuͤckung mittheilen und
ergoß mich in lebhafteſten Ausdruͤcken gegen die
Bekannten aus Wien, die ebenfalls einſtimmten und
uͤber die Anmuth der Madame Léjars, wie uͤber die
Bravour der Demoiſelle Pauline Cuzent nicht genug
des Lobes finden konnten. Als der Bruder dieſer
Damen, Paul, ſein wohldirigirtes Orcheſter verließ,
den Taktſtab des Kompoſiteurs mit der Peitſche des
Stallmeiſters zu vertauſchen und ſeine fuͤnf Schimmel
baͤndigend, die Bahn durchtobte, fragte meine holde
Nachbarin ihren Gatten: meinſt Du, daß Monſieur
Antoine es ſo weit gebracht haͤtte?

„Sprich mir nicht von dem armen Teufel, Hed-
wig, mit ſeinem langweiligen Violin-Solo. Von
dergleichen hatten wir zu meiner Zeit keine Ahnung.
Da glaubte man, das Aeußerſte ſei erreicht, wenn
Furioſo auf zwei Pferden ſeinen Ritt machte!“

Er ſagte dies ſo laut, daß ich jede Silbe verſtand.
Mein Erſtaunen wahrnehmend, fuhr er fort:

„Es muß Sie nicht Wunder nehmen, wenn ich

<TEI>
  <text>
    <back>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0211" n="207"/>
reiter-Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft von Cuzent und L<hi rendition="#aq">é</hi>jars, wo wir<lb/>
zu&#x017F;ammentrafen. Der Enthu&#x017F;iasmus, in welchen ich<lb/>
durch den Anblick jener Reiterfamilie mich ver&#x017F;etzt<lb/>
fu&#x0364;hlte, war zu heftig, um in meiner Bru&#x017F;t Raum zu<lb/>
finden; ich mußte meine Entzu&#x0364;ckung mittheilen und<lb/>
ergoß mich in lebhafte&#x017F;ten Ausdru&#x0364;cken gegen die<lb/>
Bekannten aus Wien, die ebenfalls ein&#x017F;timmten und<lb/>
u&#x0364;ber die Anmuth der Madame L<hi rendition="#aq">é</hi>jars, wie u&#x0364;ber die<lb/>
Bravour der Demoi&#x017F;elle Pauline Cuzent nicht genug<lb/>
des Lobes finden konnten. Als der Bruder die&#x017F;er<lb/>
Damen, Paul, &#x017F;ein wohldirigirtes Orche&#x017F;ter verließ,<lb/>
den Takt&#x017F;tab des Kompo&#x017F;iteurs mit der Peit&#x017F;che des<lb/>
Stallmei&#x017F;ters zu vertau&#x017F;chen und &#x017F;eine fu&#x0364;nf Schimmel<lb/>
ba&#x0364;ndigend, die Bahn durchtobte, fragte meine holde<lb/>
Nachbarin ihren Gatten: mein&#x017F;t Du, daß Mon&#x017F;ieur<lb/>
Antoine es &#x017F;o weit gebracht ha&#x0364;tte?</p><lb/>
          <p>&#x201E;Sprich mir nicht von dem armen Teufel, Hed-<lb/>
wig, mit &#x017F;einem langweiligen Violin-Solo. Von<lb/>
dergleichen hatten wir zu meiner Zeit keine Ahnung.<lb/>
Da glaubte man, das Aeußer&#x017F;te &#x017F;ei erreicht, wenn<lb/>
Furio&#x017F;o auf zwei Pferden &#x017F;einen Ritt machte!&#x201C;</p><lb/>
          <p>Er &#x017F;agte dies &#x017F;o laut, daß ich jede Silbe ver&#x017F;tand.<lb/>
Mein Er&#x017F;taunen wahrnehmend, fuhr er fort:</p><lb/>
          <p>&#x201E;Es muß Sie nicht Wunder nehmen, wenn ich<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </back>
  </text>
</TEI>
[207/0211] reiter-Geſellſchaft von Cuzent und Léjars, wo wir zuſammentrafen. Der Enthuſiasmus, in welchen ich durch den Anblick jener Reiterfamilie mich verſetzt fuͤhlte, war zu heftig, um in meiner Bruſt Raum zu finden; ich mußte meine Entzuͤckung mittheilen und ergoß mich in lebhafteſten Ausdruͤcken gegen die Bekannten aus Wien, die ebenfalls einſtimmten und uͤber die Anmuth der Madame Léjars, wie uͤber die Bravour der Demoiſelle Pauline Cuzent nicht genug des Lobes finden konnten. Als der Bruder dieſer Damen, Paul, ſein wohldirigirtes Orcheſter verließ, den Taktſtab des Kompoſiteurs mit der Peitſche des Stallmeiſters zu vertauſchen und ſeine fuͤnf Schimmel baͤndigend, die Bahn durchtobte, fragte meine holde Nachbarin ihren Gatten: meinſt Du, daß Monſieur Antoine es ſo weit gebracht haͤtte? „Sprich mir nicht von dem armen Teufel, Hed- wig, mit ſeinem langweiligen Violin-Solo. Von dergleichen hatten wir zu meiner Zeit keine Ahnung. Da glaubte man, das Aeußerſte ſei erreicht, wenn Furioſo auf zwei Pferden ſeinen Ritt machte!“ Er ſagte dies ſo laut, daß ich jede Silbe verſtand. Mein Erſtaunen wahrnehmend, fuhr er fort: „Es muß Sie nicht Wunder nehmen, wenn ich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/211
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/211>, abgerufen am 24.11.2024.