Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852.Bald bringt man mir mein kleines Mädchen Bald bringt man mir mein kleines Maͤdchen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0200" n="196"/> <p>Bald bringt man mir mein kleines Maͤdchen<lb/> zuruͤck, es hat einen Namen, es iſt ein menſchliches<lb/> Weſen, es waͤchſt heran in meiner Sorge und Pflege,<lb/> ich bin die gluͤcklichſte Mutter, die reichſte Frau auf<lb/> Erden. Waͤr’ es nicht ſchaͤndliche Selbſtſucht von<lb/> mir, ſtraͤfliche Ungenuͤgſamkeit, wollt’ ich zu all’ mei-<lb/> nen Schaͤtzen auch noch die Herrſchaft uͤber Dich<lb/> fuͤgen? Wollt’ ich auf Deine Liebe, Deine Redlich-<lb/> keit trotzend, dich eigenſinnig feſthalten; Dich hin-<lb/> dern, die Fluͤgel zu regen, die das Beduͤrfniß fuͤhlen,<lb/> ſich zu entfalten? Sieh’, das mußt’ ich Dir ſagen;<lb/> es kommt mir aus der Seele! Sei frei! Sei, wie<lb/> wenn Du kein Weib haͤtteſt! Zieh’ hinaus und reiſe!<lb/> Treibe Dich in der weiten Welt umher! Durchſtreife<lb/> Laͤnder und Meere! Mache was Du willſt, Anton;<lb/> unternimm, wozu die Neigung Dich auffordert! Jch<lb/> werde nicht klagen, nicht weinen, nicht grollen. Jch<lb/> werde mit meiner Tochter hier bleiben, eine treue<lb/> Hausfrau, eine gute Wirthin ſein und wenn Du wie-<lb/> der einmal heimkehrſt, werd’ ich Dich eben ſo freund-<lb/> lich, eben ſo unbefangen begruͤßen, wie ich geſtern<lb/> that, als Du aus unſerem Walde heimkehrteſt. Denn<lb/> daß Du manchmal kommen wirſt, nach Deiner Hed-<lb/> wig zu ſchauen, Dein Kind zu kuͤſſen, das weiß ich.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [196/0200]
Bald bringt man mir mein kleines Maͤdchen
zuruͤck, es hat einen Namen, es iſt ein menſchliches
Weſen, es waͤchſt heran in meiner Sorge und Pflege,
ich bin die gluͤcklichſte Mutter, die reichſte Frau auf
Erden. Waͤr’ es nicht ſchaͤndliche Selbſtſucht von
mir, ſtraͤfliche Ungenuͤgſamkeit, wollt’ ich zu all’ mei-
nen Schaͤtzen auch noch die Herrſchaft uͤber Dich
fuͤgen? Wollt’ ich auf Deine Liebe, Deine Redlich-
keit trotzend, dich eigenſinnig feſthalten; Dich hin-
dern, die Fluͤgel zu regen, die das Beduͤrfniß fuͤhlen,
ſich zu entfalten? Sieh’, das mußt’ ich Dir ſagen;
es kommt mir aus der Seele! Sei frei! Sei, wie
wenn Du kein Weib haͤtteſt! Zieh’ hinaus und reiſe!
Treibe Dich in der weiten Welt umher! Durchſtreife
Laͤnder und Meere! Mache was Du willſt, Anton;
unternimm, wozu die Neigung Dich auffordert! Jch
werde nicht klagen, nicht weinen, nicht grollen. Jch
werde mit meiner Tochter hier bleiben, eine treue
Hausfrau, eine gute Wirthin ſein und wenn Du wie-
der einmal heimkehrſt, werd’ ich Dich eben ſo freund-
lich, eben ſo unbefangen begruͤßen, wie ich geſtern
that, als Du aus unſerem Walde heimkehrteſt. Denn
daß Du manchmal kommen wirſt, nach Deiner Hed-
wig zu ſchauen, Dein Kind zu kuͤſſen, das weiß ich.
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