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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852.

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vor Beschämung in den Erdboden sinken. Nein, sie
darf's nicht entdecken!"


"Welch' ein Gefühl! Jch bin Vater!! Ein Kind
ist da, welches lebt, athmet, die Augen öffnet! Und
dies ist mein, ist Hedwig's Kind!

Noch bin ich nicht im Stande, mir über meine
Empfindungen Rechenschaft zu geben. Auch weiß
ich nicht, was meine Freude stört! Jch vermag mich
meiner ahnungsschweren Besorgniß um Hedwig kaum
zu entschlagen."


"Jch muß zu diesen Blättern meine Zuflucht
nehmen. So manchen heißen Gram hab' ich in ein-
samen Stunden dem Papiere anvertraut. Mag sich
auch jetzt die schwerste Bangigkeit meiner Seele schrei-
bend Luft machen. Hedwig ist sehr krank; ihre Mat-
tigkeit nimmt mit jeder Stunde zu; schon lächelt sie
nicht mehr, wenn man ihr das Kind zeigt; schon
erwiederte sie kaum mehr den Druck meiner Hand.
Die Gräfin und Ottilie sitzen mit ernstem Schweigen
vor ihrem Bette, -- mich sehen Sie bedauernd von
der Seite an. Der Arzt spricht von Hoffnung, die
man nie ganz aufgeben dürfe, von unerwarteten

vor Beſchaͤmung in den Erdboden ſinken. Nein, ſie
darf’s nicht entdecken!“


„Welch’ ein Gefuͤhl! Jch bin Vater!! Ein Kind
iſt da, welches lebt, athmet, die Augen oͤffnet! Und
dies iſt mein, iſt Hedwig’s Kind!

Noch bin ich nicht im Stande, mir uͤber meine
Empfindungen Rechenſchaft zu geben. Auch weiß
ich nicht, was meine Freude ſtoͤrt! Jch vermag mich
meiner ahnungsſchweren Beſorgniß um Hedwig kaum
zu entſchlagen.“


„Jch muß zu dieſen Blaͤttern meine Zuflucht
nehmen. So manchen heißen Gram hab’ ich in ein-
ſamen Stunden dem Papiere anvertraut. Mag ſich
auch jetzt die ſchwerſte Bangigkeit meiner Seele ſchrei-
bend Luft machen. Hedwig iſt ſehr krank; ihre Mat-
tigkeit nimmt mit jeder Stunde zu; ſchon laͤchelt ſie
nicht mehr, wenn man ihr das Kind zeigt; ſchon
erwiederte ſie kaum mehr den Druck meiner Hand.
Die Graͤfin und Ottilie ſitzen mit ernſtem Schweigen
vor ihrem Bette, — mich ſehen Sie bedauernd von
der Seite an. Der Arzt ſpricht von Hoffnung, die
man nie ganz aufgeben duͤrfe, von unerwarteten

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[189/0193] vor Beſchaͤmung in den Erdboden ſinken. Nein, ſie darf’s nicht entdecken!“ Vom 1. Juni. „Welch’ ein Gefuͤhl! Jch bin Vater!! Ein Kind iſt da, welches lebt, athmet, die Augen oͤffnet! Und dies iſt mein, iſt Hedwig’s Kind! Noch bin ich nicht im Stande, mir uͤber meine Empfindungen Rechenſchaft zu geben. Auch weiß ich nicht, was meine Freude ſtoͤrt! Jch vermag mich meiner ahnungsſchweren Beſorgniß um Hedwig kaum zu entſchlagen.“ Vom 2. Juni. „Jch muß zu dieſen Blaͤttern meine Zuflucht nehmen. So manchen heißen Gram hab’ ich in ein- ſamen Stunden dem Papiere anvertraut. Mag ſich auch jetzt die ſchwerſte Bangigkeit meiner Seele ſchrei- bend Luft machen. Hedwig iſt ſehr krank; ihre Mat- tigkeit nimmt mit jeder Stunde zu; ſchon laͤchelt ſie nicht mehr, wenn man ihr das Kind zeigt; ſchon erwiederte ſie kaum mehr den Druck meiner Hand. Die Graͤfin und Ottilie ſitzen mit ernſtem Schweigen vor ihrem Bette, — mich ſehen Sie bedauernd von der Seite an. Der Arzt ſpricht von Hoffnung, die man nie ganz aufgeben duͤrfe, von unerwarteten

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/193>, abgerufen am 27.04.2024.