Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Rittmeisters Tode wieder den Ranzen auf den Rücken
nahm? Und der Anblick dieser Schenkstube führt ihn
der Vergangenheit zu, die er jetzt noch in seinem
Gedächtniß mit so lebhaften Farben erblickt, als ob sie
Gegenwart wäre. Er besteigt noch einmal den Wagen
des Fleischhauers, er tritt in die Menagerie der Simo-
nelli, er sieht Laura, er liebt sie;... er sucht neue
Abentheuer; als wohlhabender Reisender, nicht mehr
als armer Vagabund, zieht er jetzt durch die Welt;
knüpft andere Bekanntschaften; genießt jetzt erst sein
Leben!... Er vergißt, welch' heilige, welch' süße
Bande ihn an seine Heimath fesseln; er verräth in
diesem Augenblicke schon seine Frau, indem er ihrer
nicht gedenkt. --

Die Wirthin bringt den bestellten Kaffee. Der
gnädige Herr soll verzeihen, daß es so lange dauerte,
bis er bedient wurde!

Kennt Jhr mich, gute Frau?

"Ei freilich; Sie sind der gnädige Herr von Lie-
benau."

Und wo habt Jhr mich kennen lernen?

"Der Schleifer hat's dem Hausknecht gesagt,
sonst wüßt' ich's nicht."

Und Jhr selbst habt mich niemals gesehen?

Rittmeiſters Tode wieder den Ranzen auf den Ruͤcken
nahm? Und der Anblick dieſer Schenkſtube fuͤhrt ihn
der Vergangenheit zu, die er jetzt noch in ſeinem
Gedaͤchtniß mit ſo lebhaften Farben erblickt, als ob ſie
Gegenwart waͤre. Er beſteigt noch einmal den Wagen
des Fleiſchhauers, er tritt in die Menagerie der Simo-
nelli, er ſieht Laura, er liebt ſie;... er ſucht neue
Abentheuer; als wohlhabender Reiſender, nicht mehr
als armer Vagabund, zieht er jetzt durch die Welt;
knuͤpft andere Bekanntſchaften; genießt jetzt erſt ſein
Leben!... Er vergißt, welch’ heilige, welch’ ſuͤße
Bande ihn an ſeine Heimath feſſeln; er verraͤth in
dieſem Augenblicke ſchon ſeine Frau, indem er ihrer
nicht gedenkt. —

Die Wirthin bringt den beſtellten Kaffee. Der
gnaͤdige Herr ſoll verzeihen, daß es ſo lange dauerte,
bis er bedient wurde!

Kennt Jhr mich, gute Frau?

„Ei freilich; Sie ſind der gnaͤdige Herr von Lie-
benau.“

Und wo habt Jhr mich kennen lernen?

„Der Schleifer hat’s dem Hausknecht geſagt,
ſonſt wuͤßt’ ich’s nicht.“

Und Jhr ſelbſt habt mich niemals geſehen?

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0177" n="173"/>
Rittmei&#x017F;ters Tode wieder den Ranzen auf den Ru&#x0364;cken<lb/>
nahm? Und der Anblick die&#x017F;er Schenk&#x017F;tube fu&#x0364;hrt ihn<lb/>
der Vergangenheit zu, die er jetzt noch in &#x017F;einem<lb/>
Geda&#x0364;chtniß mit &#x017F;o lebhaften Farben erblickt, als ob &#x017F;ie<lb/>
Gegenwart wa&#x0364;re. Er be&#x017F;teigt noch einmal den Wagen<lb/>
des Flei&#x017F;chhauers, er tritt in die Menagerie der Simo-<lb/>
nelli, er &#x017F;ieht Laura, er liebt &#x017F;ie;... er &#x017F;ucht neue<lb/>
Abentheuer; als wohlhabender Rei&#x017F;ender, nicht mehr<lb/>
als armer Vagabund, zieht er jetzt durch die Welt;<lb/>
knu&#x0364;pft andere Bekannt&#x017F;chaften; genießt jetzt er&#x017F;t &#x017F;ein<lb/>
Leben!... Er vergißt, welch&#x2019; heilige, welch&#x2019; &#x017F;u&#x0364;ße<lb/>
Bande ihn an &#x017F;eine Heimath fe&#x017F;&#x017F;eln; er verra&#x0364;th in<lb/>
die&#x017F;em Augenblicke &#x017F;chon &#x017F;eine Frau, indem er ihrer<lb/>
nicht gedenkt. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Die Wirthin bringt den be&#x017F;tellten Kaffee. Der<lb/>
gna&#x0364;dige Herr &#x017F;oll verzeihen, daß es &#x017F;o lange dauerte,<lb/>
bis er bedient wurde!</p><lb/>
        <p>Kennt Jhr mich, gute Frau?</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ei freilich; Sie &#x017F;ind der gna&#x0364;dige Herr von Lie-<lb/>
benau.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Und wo habt Jhr mich kennen lernen?</p><lb/>
        <p>&#x201E;Der Schleifer hat&#x2019;s dem Hausknecht ge&#x017F;agt,<lb/>
&#x017F;on&#x017F;t wu&#x0364;ßt&#x2019; ich&#x2019;s nicht.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Und Jhr &#x017F;elb&#x017F;t habt mich niemals ge&#x017F;ehen?</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[173/0177] Rittmeiſters Tode wieder den Ranzen auf den Ruͤcken nahm? Und der Anblick dieſer Schenkſtube fuͤhrt ihn der Vergangenheit zu, die er jetzt noch in ſeinem Gedaͤchtniß mit ſo lebhaften Farben erblickt, als ob ſie Gegenwart waͤre. Er beſteigt noch einmal den Wagen des Fleiſchhauers, er tritt in die Menagerie der Simo- nelli, er ſieht Laura, er liebt ſie;... er ſucht neue Abentheuer; als wohlhabender Reiſender, nicht mehr als armer Vagabund, zieht er jetzt durch die Welt; knuͤpft andere Bekanntſchaften; genießt jetzt erſt ſein Leben!... Er vergißt, welch’ heilige, welch’ ſuͤße Bande ihn an ſeine Heimath feſſeln; er verraͤth in dieſem Augenblicke ſchon ſeine Frau, indem er ihrer nicht gedenkt. — Die Wirthin bringt den beſtellten Kaffee. Der gnaͤdige Herr ſoll verzeihen, daß es ſo lange dauerte, bis er bedient wurde! Kennt Jhr mich, gute Frau? „Ei freilich; Sie ſind der gnaͤdige Herr von Lie- benau.“ Und wo habt Jhr mich kennen lernen? „Der Schleifer hat’s dem Hausknecht geſagt, ſonſt wuͤßt’ ich’s nicht.“ Und Jhr ſelbſt habt mich niemals geſehen?

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/177
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/177>, abgerufen am 27.04.2024.