eben die Pferde vor einem Frachtwagen tränkte, wirft er seines Thieres Zügel zu, schärft ihm ein, es lang- sam auf und ab zu führen, damit es sich gehörig abkühle und eilt dann in die Schenke.
Das große, düst're Gemach ist leer und still. Nur Millionen von Fliegen summen ihr eintöniges Kla- gelied.
Anton wirft sich auf die Bank hinter'm Ofen, eine Wehmuth kommt über ihn, die ihm unerklärlich ist, die er dennoch nicht bewältigen kann und kaum vermag er die Thränen zurückzuhalten, die ihm das Herz schwellen.
Die Wirthin tritt ein. O, wie ist sie alt gewor- den, wie häßlich; wie nachlässig in ihrer Kleidung. Es sind ihre sechs Kinder, die draußen im Staube des Weges spielen. Sie hat vom Hausknecht gehört, daß ein fremder Herr zu Pferde gekommen, bei ihr eingekehrt sei. Sie fragt, womit sie ihm dienen könne? Anton bittet sich einen Kaffee aus. Die Wir- thin stutzt: sie entschuldiget sich, daß es langsam damit gehen werde, weil das Mittagsmahl längst vorüber und kein Feuer auf dem Heerde brennt. Anton erklärt, er wolle gern warten und hier weilen. Die Frau sieht ihn mehrmals fragend an, und geht
eben die Pferde vor einem Frachtwagen traͤnkte, wirft er ſeines Thieres Zuͤgel zu, ſchaͤrft ihm ein, es lang- ſam auf und ab zu fuͤhren, damit es ſich gehoͤrig abkuͤhle und eilt dann in die Schenke.
Das große, duͤſt’re Gemach iſt leer und ſtill. Nur Millionen von Fliegen ſummen ihr eintoͤniges Kla- gelied.
Anton wirft ſich auf die Bank hinter’m Ofen, eine Wehmuth kommt uͤber ihn, die ihm unerklaͤrlich iſt, die er dennoch nicht bewaͤltigen kann und kaum vermag er die Thraͤnen zuruͤckzuhalten, die ihm das Herz ſchwellen.
Die Wirthin tritt ein. O, wie iſt ſie alt gewor- den, wie haͤßlich; wie nachlaͤſſig in ihrer Kleidung. Es ſind ihre ſechs Kinder, die draußen im Staube des Weges ſpielen. Sie hat vom Hausknecht gehoͤrt, daß ein fremder Herr zu Pferde gekommen, bei ihr eingekehrt ſei. Sie fragt, womit ſie ihm dienen koͤnne? Anton bittet ſich einen Kaffee aus. Die Wir- thin ſtutzt: ſie entſchuldiget ſich, daß es langſam damit gehen werde, weil das Mittagsmahl laͤngſt voruͤber und kein Feuer auf dem Heerde brennt. Anton erklaͤrt, er wolle gern warten und hier weilen. Die Frau ſieht ihn mehrmals fragend an, und geht
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eben die Pferde vor einem Frachtwagen traͤnkte, wirft
er ſeines Thieres Zuͤgel zu, ſchaͤrft ihm ein, es lang-
ſam auf und ab zu fuͤhren, damit es ſich gehoͤrig
abkuͤhle und eilt dann in die Schenke.
Das große, duͤſt’re Gemach iſt leer und ſtill. Nur
Millionen von Fliegen ſummen ihr eintoͤniges Kla-
gelied.
Anton wirft ſich auf die Bank hinter’m Ofen,
eine Wehmuth kommt uͤber ihn, die ihm unerklaͤrlich
iſt, die er dennoch nicht bewaͤltigen kann und kaum
vermag er die Thraͤnen zuruͤckzuhalten, die ihm das
Herz ſchwellen.
Die Wirthin tritt ein. O, wie iſt ſie alt gewor-
den, wie haͤßlich; wie nachlaͤſſig in ihrer Kleidung.
Es ſind ihre ſechs Kinder, die draußen im Staube
des Weges ſpielen. Sie hat vom Hausknecht gehoͤrt,
daß ein fremder Herr zu Pferde gekommen, bei ihr
eingekehrt ſei. Sie fragt, womit ſie ihm dienen
koͤnne? Anton bittet ſich einen Kaffee aus. Die Wir-
thin ſtutzt: ſie entſchuldiget ſich, daß es langſam
damit gehen werde, weil das Mittagsmahl laͤngſt
voruͤber und kein Feuer auf dem Heerde brennt.
Anton erklaͤrt, er wolle gern warten und hier weilen.
Die Frau ſieht ihn mehrmals fragend an, und geht
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/175>, abgerufen am 26.07.2024.
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