zu nehmen, als nachzuahmen, was viele Gemeinden in der Nachbarschaft bereits gethan hatten. Der alte Vormäher vom Oberhofe ließ sich darüber etwa so aus:
"Jst's nicht gescheidter, wir tragen Glück und Unglück, gute Jahre und Mißwachs zu gleichen Thei- len mit dem Dominium, statt daß wir Tagelöhner vorstellen und uns in Gelde bezahlen lassen? Jetzt kommt der Herr, oder meinetwegen der Verwalter, und fragen, was meint Jhr, Leute, wollen wir hauen, oder warten wir noch? Oder wo fangen wir heuer an? Oder was meint Jhr vom Wetter? Wird's heim- lich bleiben? Nu ja, warum sollen sie uns nicht fra- gen; 's ist ja unser eigener Vortheil, wenn's gut geht und wir bringen das Bissel Gottessegen trocken unter Dach. Jch arbeite doch lieber, wenn ich für mich mit arbeite. So 'n Tagelöhner fragt den Gukuk danach, was verdirbt, oder nicht. Und seinen Lohn versauft er und im Winter hat er nichts zu fressen."
Deshalb hatten sich dit Liebenauer noch nicht von ihren Hofediensten abgelöset, und bewahrten auf diese Weise noch ein letztes Restchen patriarchalischer Ueber- lieferung in ihren Hütten, auf ihren Feldern, in ihren Herzen.
zu nehmen, als nachzuahmen, was viele Gemeinden in der Nachbarſchaft bereits gethan hatten. Der alte Vormaͤher vom Oberhofe ließ ſich daruͤber etwa ſo aus:
„Jſt’s nicht geſcheidter, wir tragen Gluͤck und Ungluͤck, gute Jahre und Mißwachs zu gleichen Thei- len mit dem Dominium, ſtatt daß wir Tageloͤhner vorſtellen und uns in Gelde bezahlen laſſen? Jetzt kommt der Herr, oder meinetwegen der Verwalter, und fragen, was meint Jhr, Leute, wollen wir hauen, oder warten wir noch? Oder wo fangen wir heuer an? Oder was meint Jhr vom Wetter? Wird’s heim- lich bleiben? Nu ja, warum ſollen ſie uns nicht fra- gen; ’s iſt ja unſer eigener Vortheil, wenn’s gut geht und wir bringen das Biſſel Gottesſegen trocken unter Dach. Jch arbeite doch lieber, wenn ich fuͤr mich mit arbeite. So ’n Tageloͤhner fragt den Gukuk danach, was verdirbt, oder nicht. Und ſeinen Lohn verſauft er und im Winter hat er nichts zu freſſen.“
Deshalb hatten ſich dit Liebenauer noch nicht von ihren Hofedienſten abgeloͤſet, und bewahrten auf dieſe Weiſe noch ein letztes Reſtchen patriarchaliſcher Ueber- lieferung in ihren Huͤtten, auf ihren Feldern, in ihren Herzen.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0172"n="168"/>
zu nehmen, als nachzuahmen, was viele Gemeinden<lb/>
in der Nachbarſchaft bereits gethan hatten. Der alte<lb/>
Vormaͤher vom Oberhofe ließ ſich daruͤber etwa<lb/>ſo aus:</p><lb/><p>„Jſt’s nicht geſcheidter, wir tragen Gluͤck und<lb/>
Ungluͤck, gute Jahre und Mißwachs zu gleichen Thei-<lb/>
len mit dem Dominium, ſtatt daß wir Tageloͤhner<lb/>
vorſtellen und uns in Gelde bezahlen laſſen? Jetzt<lb/>
kommt der Herr, oder meinetwegen der Verwalter,<lb/>
und fragen, was meint Jhr, Leute, wollen wir hauen,<lb/>
oder warten wir noch? Oder wo fangen wir heuer<lb/>
an? Oder was meint Jhr vom Wetter? Wird’s heim-<lb/>
lich bleiben? Nu ja, warum ſollen ſie uns nicht fra-<lb/>
gen; ’s iſt ja unſer eigener Vortheil, wenn’s gut geht<lb/>
und wir bringen das Biſſel Gottesſegen trocken unter<lb/>
Dach. Jch arbeite doch lieber, wenn ich fuͤr mich<lb/>
mit arbeite. So ’n Tageloͤhner fragt den Gukuk<lb/>
danach, was verdirbt, oder nicht. Und ſeinen Lohn<lb/>
verſauft er und im Winter hat er nichts zu freſſen.“</p><lb/><p>Deshalb hatten ſich dit Liebenauer noch nicht von<lb/>
ihren Hofedienſten abgeloͤſet, und bewahrten auf dieſe<lb/>
Weiſe noch ein letztes Reſtchen patriarchaliſcher Ueber-<lb/>
lieferung in ihren Huͤtten, auf ihren Feldern, in ihren<lb/>
Herzen.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[168/0172]
zu nehmen, als nachzuahmen, was viele Gemeinden
in der Nachbarſchaft bereits gethan hatten. Der alte
Vormaͤher vom Oberhofe ließ ſich daruͤber etwa
ſo aus:
„Jſt’s nicht geſcheidter, wir tragen Gluͤck und
Ungluͤck, gute Jahre und Mißwachs zu gleichen Thei-
len mit dem Dominium, ſtatt daß wir Tageloͤhner
vorſtellen und uns in Gelde bezahlen laſſen? Jetzt
kommt der Herr, oder meinetwegen der Verwalter,
und fragen, was meint Jhr, Leute, wollen wir hauen,
oder warten wir noch? Oder wo fangen wir heuer
an? Oder was meint Jhr vom Wetter? Wird’s heim-
lich bleiben? Nu ja, warum ſollen ſie uns nicht fra-
gen; ’s iſt ja unſer eigener Vortheil, wenn’s gut geht
und wir bringen das Biſſel Gottesſegen trocken unter
Dach. Jch arbeite doch lieber, wenn ich fuͤr mich
mit arbeite. So ’n Tageloͤhner fragt den Gukuk
danach, was verdirbt, oder nicht. Und ſeinen Lohn
verſauft er und im Winter hat er nichts zu freſſen.“
Deshalb hatten ſich dit Liebenauer noch nicht von
ihren Hofedienſten abgeloͤſet, und bewahrten auf dieſe
Weiſe noch ein letztes Reſtchen patriarchaliſcher Ueber-
lieferung in ihren Huͤtten, auf ihren Feldern, in ihren
Herzen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/172>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.