keit gleichsam einen Sporn einzudrücken, der sie nur um desto mehr belebte. Denn Anton achtete und liebte seinen Schwiegervater auch und er selbst würde endlich Hedwig getadelt haben, wenn sie neben ihm und um seinetwillen im Stande gewesen wäre, den Rittmeister zu vernachlässigen. Was für ihn der Vater seiner Frau, das war für diese Ottilie. Hed- wig liebte Ottilien als eine Freundin, achtete sie als einen großmüthigen Charakter, als ein geistreiches Mädchen, -- aber sie konnte ihr doch niemals ga[nz] vergessen, daß sie einst Anton's "Tieletunke" war. Es genügte diesen kindischen Beinamen nur auszu- sprechen, damit Hedwig, sei es auch blos auf einen Moment, unruhig werde. Sie hatte dieser Empfin- dung, die sie selbst eine höchst alberne nannte, nie- mals Hehl: sie meldete sich selbst, die ehrliche Seele, jedesmal wenn's ihr geschah. Du, sagte sie dann, Du, Ottilie, es ist kaum fünf Minuten her, da bil- dete ich mir ein, ich könnte eifersüchtig auf Dich sein?
Worauf Ottilie zu entgegnen pflegte: warum das nicht? die Eifersucht hat schon klügere Leute dumm gemacht.
Dann lachte Hedwig und fragte: bin ich dumm? Und Ottilie antwortete: geh', Du bist nicht klug.
keit gleichſam einen Sporn einzudruͤcken, der ſie nur um deſto mehr belebte. Denn Anton achtete und liebte ſeinen Schwiegervater auch und er ſelbſt wuͤrde endlich Hedwig getadelt haben, wenn ſie neben ihm und um ſeinetwillen im Stande geweſen waͤre, den Rittmeiſter zu vernachlaͤſſigen. Was fuͤr ihn der Vater ſeiner Frau, das war fuͤr dieſe Ottilie. Hed- wig liebte Ottilien als eine Freundin, achtete ſie als einen großmuͤthigen Charakter, als ein geiſtreiches Maͤdchen, — aber ſie konnte ihr doch niemals ga[nz] vergeſſen, daß ſie einſt Anton’s „Tieletunke“ war. Es genuͤgte dieſen kindiſchen Beinamen nur auszu- ſprechen, damit Hedwig, ſei es auch blos auf einen Moment, unruhig werde. Sie hatte dieſer Empfin- dung, die ſie ſelbſt eine hoͤchſt alberne nannte, nie- mals Hehl: ſie meldete ſich ſelbſt, die ehrliche Seele, jedesmal wenn’s ihr geſchah. Du, ſagte ſie dann, Du, Ottilie, es iſt kaum fuͤnf Minuten her, da bil- dete ich mir ein, ich koͤnnte eiferſuͤchtig auf Dich ſein?
Worauf Ottilie zu entgegnen pflegte: warum das nicht? die Eiferſucht hat ſchon kluͤgere Leute dumm gemacht.
Dann lachte Hedwig und fragte: bin ich dumm? Und Ottilie antwortete: geh’, Du biſt nicht klug.
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keit gleichſam einen Sporn einzudruͤcken, der ſie nur
um deſto mehr belebte. Denn Anton achtete und
liebte ſeinen Schwiegervater auch und er ſelbſt wuͤrde
endlich Hedwig getadelt haben, wenn ſie neben ihm
und um ſeinetwillen im Stande geweſen waͤre, den
Rittmeiſter zu vernachlaͤſſigen. Was fuͤr ihn der
Vater ſeiner Frau, das war fuͤr dieſe Ottilie. Hed-
wig liebte Ottilien als eine Freundin, achtete ſie als
einen großmuͤthigen Charakter, als ein geiſtreiches
Maͤdchen, — aber ſie konnte ihr doch niemals ganz
vergeſſen, daß ſie einſt Anton’s „Tieletunke“ war.
Es genuͤgte dieſen kindiſchen Beinamen nur auszu-
ſprechen, damit Hedwig, ſei es auch blos auf einen
Moment, unruhig werde. Sie hatte dieſer Empfin-
dung, die ſie ſelbſt eine hoͤchſt alberne nannte, nie-
mals Hehl: ſie meldete ſich ſelbſt, die ehrliche Seele,
jedesmal wenn’s ihr geſchah. Du, ſagte ſie dann,
Du, Ottilie, es iſt kaum fuͤnf Minuten her, da bil-
dete ich mir ein, ich koͤnnte eiferſuͤchtig auf Dich ſein?
Worauf Ottilie zu entgegnen pflegte: warum das
nicht? die Eiferſucht hat ſchon kluͤgere Leute dumm
gemacht.
Dann lachte Hedwig und fragte: bin ich dumm?
Und Ottilie antwortete: geh’, Du biſt nicht klug.
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/163>, abgerufen am 16.02.2025.
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