Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Ball dauerte nicht gar lange.

Die Mägde zogen sammt ihren Tänzern nach dem
Wirthshause.

Jm Schlosse wurde zeitig Nacht.

Die Bewohner lagen um zehn Uhr schon alle in
ihren Betten.

Die Neuvermählten auch.



Siebenundsiebenzigstes Kapitel.

Wie Hedwig und Anton mit ihren Flitterwochen bis über Winter ausreichen,
der Frühling aber Tod und Trauer bringt.

Es ist mir bei der Anschauung von Dramen und
bei der Lesung von Romanen stets auffällig gewesen,
mit der Vermählung des Helden, oder ersten Lieb-
habers die Dichtung enden zu sehen; als ob nun
damit Alles erschöpft, als ob mit dem Jawort wel-
ches die endlich an's Ziel gelangten Liebenden vor
dem Altare aussprechen, nun auch schon jede weitere
Negation besiegt, jedes Ziel erreicht wäre? Selt-
samer Brauch, den die Verfasser fast immer befolgen,
der also doch in den befriedigten Ansprüchen der Lese-
welt wurzeln muß!

Was mich betrifft, so bin ich entgegengesetzter

Der Ball dauerte nicht gar lange.

Die Maͤgde zogen ſammt ihren Taͤnzern nach dem
Wirthshauſe.

Jm Schloſſe wurde zeitig Nacht.

Die Bewohner lagen um zehn Uhr ſchon alle in
ihren Betten.

Die Neuvermaͤhlten auch.



Siebenundſiebenzigſtes Kapitel.

Wie Hedwig und Anton mit ihren Flitterwochen bis über Winter ausreichen,
der Frühling aber Tod und Trauer bringt.

Es iſt mir bei der Anſchauung von Dramen und
bei der Leſung von Romanen ſtets auffaͤllig geweſen,
mit der Vermaͤhlung des Helden, oder erſten Lieb-
habers die Dichtung enden zu ſehen; als ob nun
damit Alles erſchoͤpft, als ob mit dem Jawort wel-
ches die endlich an’s Ziel gelangten Liebenden vor
dem Altare ausſprechen, nun auch ſchon jede weitere
Negation beſiegt, jedes Ziel erreicht waͤre? Selt-
ſamer Brauch, den die Verfaſſer faſt immer befolgen,
der alſo doch in den befriedigten Anſpruͤchen der Leſe-
welt wurzeln muß!

Was mich betrifft, ſo bin ich entgegengeſetzter

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0158" n="154"/>
        <p>Der Ball dauerte nicht gar lange.</p><lb/>
        <p>Die Ma&#x0364;gde zogen &#x017F;ammt ihren Ta&#x0364;nzern nach dem<lb/>
Wirthshau&#x017F;e.</p><lb/>
        <p>Jm Schlo&#x017F;&#x017F;e wurde zeitig Nacht.</p><lb/>
        <p>Die Bewohner lagen um zehn Uhr &#x017F;chon alle in<lb/>
ihren Betten.</p><lb/>
        <p>Die Neuverma&#x0364;hlten auch.</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Siebenund&#x017F;iebenzig&#x017F;tes Kapitel.</hi> </head><lb/>
        <argument>
          <p> <hi rendition="#c">Wie Hedwig und Anton mit ihren Flitterwochen bis über Winter ausreichen,<lb/>
der Frühling aber Tod und Trauer bringt.</hi> </p>
        </argument><lb/>
        <p>Es i&#x017F;t mir bei der An&#x017F;chauung von Dramen und<lb/>
bei der Le&#x017F;ung von Romanen &#x017F;tets auffa&#x0364;llig gewe&#x017F;en,<lb/>
mit der Verma&#x0364;hlung des Helden, oder er&#x017F;ten Lieb-<lb/>
habers die Dichtung enden zu &#x017F;ehen; als ob nun<lb/>
damit Alles er&#x017F;cho&#x0364;pft, als ob mit dem Jawort wel-<lb/>
ches die endlich an&#x2019;s Ziel gelangten Liebenden vor<lb/>
dem Altare aus&#x017F;prechen, nun auch &#x017F;chon jede weitere<lb/>
Negation be&#x017F;iegt, jedes Ziel erreicht wa&#x0364;re? Selt-<lb/>
&#x017F;amer Brauch, den die Verfa&#x017F;&#x017F;er fa&#x017F;t immer befolgen,<lb/>
der al&#x017F;o doch in den befriedigten An&#x017F;pru&#x0364;chen der Le&#x017F;e-<lb/>
welt wurzeln muß!</p><lb/>
        <p>Was mich betrifft, &#x017F;o bin ich entgegenge&#x017F;etzter<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[154/0158] Der Ball dauerte nicht gar lange. Die Maͤgde zogen ſammt ihren Taͤnzern nach dem Wirthshauſe. Jm Schloſſe wurde zeitig Nacht. Die Bewohner lagen um zehn Uhr ſchon alle in ihren Betten. Die Neuvermaͤhlten auch. Siebenundſiebenzigſtes Kapitel. Wie Hedwig und Anton mit ihren Flitterwochen bis über Winter ausreichen, der Frühling aber Tod und Trauer bringt. Es iſt mir bei der Anſchauung von Dramen und bei der Leſung von Romanen ſtets auffaͤllig geweſen, mit der Vermaͤhlung des Helden, oder erſten Lieb- habers die Dichtung enden zu ſehen; als ob nun damit Alles erſchoͤpft, als ob mit dem Jawort wel- ches die endlich an’s Ziel gelangten Liebenden vor dem Altare ausſprechen, nun auch ſchon jede weitere Negation beſiegt, jedes Ziel erreicht waͤre? Selt- ſamer Brauch, den die Verfaſſer faſt immer befolgen, der alſo doch in den befriedigten Anſpruͤchen der Leſe- welt wurzeln muß! Was mich betrifft, ſo bin ich entgegengeſetzter

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/158
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/158>, abgerufen am 23.11.2024.