Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

dem ich mich geliebt wähnte, so lange geschwiegen
haben, wenn sein Herz des meinigen sich würdig
hielte? Würde er, dessen Namen ich nicht mehr aus-
sprechen will, der vor Deiner Drohung entfloh, wie
ein Feiger, eben so feig gewesen sein, wenn sein red-
licher Wille, seine gute Absicht, seine treue Gesinnung
für mich ihm Waffen, gute, gerechte Waffen dargebo-
ten hätte? Sein Verstummen klagt ihn an, und
rechtfertiget Dich! Mag mein Herz bluten, mag
meine Seele sich grämen, -- für Dich hab' ich nur
Verehrung, Liebe, Gehorsam; für Dich, mein Vater,
hab' ich nur kindliche Hingebung. Diese Dir zu
beweisen, gönne mir. Begehre nicht ferner, daß wir
zwei uns trennen sollen, daß ich einen Platz, sei es
der glänzendste, in einem großen Hause aufsuche!
Laß' mich bei Dir. Nur bei Dir ist Trost für verra-
thene Liebe; nur an des Vaters Brust wohnt Friede
für meine Brust; nur indem ich Dich hüte, mich in
Dir vergesse, kann ich vergessen lernen, wie sehr ich
ihn liebte, -- wie ich ihn immer noch liebe."

Der Rittmeister lüftete den grünen Schirm, der
seine kranken, einst von einer Granate geblendeten
Augen verdeckte, um sich die Thränen besser trocknen
zu können.

dem ich mich geliebt waͤhnte, ſo lange geſchwiegen
haben, wenn ſein Herz des meinigen ſich wuͤrdig
hielte? Wuͤrde er, deſſen Namen ich nicht mehr aus-
ſprechen will, der vor Deiner Drohung entfloh, wie
ein Feiger, eben ſo feig geweſen ſein, wenn ſein red-
licher Wille, ſeine gute Abſicht, ſeine treue Geſinnung
fuͤr mich ihm Waffen, gute, gerechte Waffen dargebo-
ten haͤtte? Sein Verſtummen klagt ihn an, und
rechtfertiget Dich! Mag mein Herz bluten, mag
meine Seele ſich graͤmen, — fuͤr Dich hab’ ich nur
Verehrung, Liebe, Gehorſam; fuͤr Dich, mein Vater,
hab’ ich nur kindliche Hingebung. Dieſe Dir zu
beweiſen, goͤnne mir. Begehre nicht ferner, daß wir
zwei uns trennen ſollen, daß ich einen Platz, ſei es
der glaͤnzendſte, in einem großen Hauſe aufſuche!
Laß’ mich bei Dir. Nur bei Dir iſt Troſt fuͤr verra-
thene Liebe; nur an des Vaters Bruſt wohnt Friede
fuͤr meine Bruſt; nur indem ich Dich huͤte, mich in
Dir vergeſſe, kann ich vergeſſen lernen, wie ſehr ich
ihn liebte, — wie ich ihn immer noch liebe.“

Der Rittmeiſter luͤftete den gruͤnen Schirm, der
ſeine kranken, einſt von einer Granate geblendeten
Augen verdeckte, um ſich die Thraͤnen beſſer trocknen
zu koͤnnen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0141" n="137"/>
dem ich mich geliebt wa&#x0364;hnte, &#x017F;o lange ge&#x017F;chwiegen<lb/>
haben, wenn &#x017F;ein Herz des meinigen &#x017F;ich wu&#x0364;rdig<lb/>
hielte? Wu&#x0364;rde er, de&#x017F;&#x017F;en Namen ich nicht mehr aus-<lb/>
&#x017F;prechen will, der vor Deiner Drohung entfloh, wie<lb/>
ein Feiger, eben &#x017F;o feig gewe&#x017F;en &#x017F;ein, wenn &#x017F;ein red-<lb/>
licher Wille, &#x017F;eine gute Ab&#x017F;icht, &#x017F;eine treue Ge&#x017F;innung<lb/>
fu&#x0364;r mich ihm Waffen, gute, gerechte Waffen dargebo-<lb/>
ten ha&#x0364;tte? Sein Ver&#x017F;tummen klagt <hi rendition="#g">ihn</hi> an, und<lb/>
rechtfertiget Dich! Mag mein Herz bluten, mag<lb/>
meine Seele &#x017F;ich gra&#x0364;men, &#x2014; fu&#x0364;r Dich hab&#x2019; ich nur<lb/>
Verehrung, Liebe, Gehor&#x017F;am; fu&#x0364;r Dich, mein Vater,<lb/>
hab&#x2019; ich nur kindliche Hingebung. Die&#x017F;e Dir zu<lb/>
bewei&#x017F;en, go&#x0364;nne mir. Begehre nicht ferner, daß wir<lb/>
zwei uns trennen &#x017F;ollen, daß ich einen Platz, &#x017F;ei es<lb/>
der gla&#x0364;nzend&#x017F;te, in einem großen Hau&#x017F;e auf&#x017F;uche!<lb/>
Laß&#x2019; mich bei Dir. Nur bei Dir i&#x017F;t Tro&#x017F;t fu&#x0364;r verra-<lb/>
thene Liebe; nur an des Vaters Bru&#x017F;t wohnt Friede<lb/>
fu&#x0364;r meine Bru&#x017F;t; nur indem ich Dich hu&#x0364;te, mich in<lb/>
Dir verge&#x017F;&#x017F;e, kann ich verge&#x017F;&#x017F;en lernen, wie &#x017F;ehr ich<lb/>
ihn liebte, &#x2014; wie ich ihn immer noch liebe.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Der Rittmei&#x017F;ter lu&#x0364;ftete den gru&#x0364;nen Schirm, der<lb/>
&#x017F;eine kranken, ein&#x017F;t von einer Granate geblendeten<lb/>
Augen verdeckte, um &#x017F;ich die Thra&#x0364;nen be&#x017F;&#x017F;er trocknen<lb/>
zu ko&#x0364;nnen.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[137/0141] dem ich mich geliebt waͤhnte, ſo lange geſchwiegen haben, wenn ſein Herz des meinigen ſich wuͤrdig hielte? Wuͤrde er, deſſen Namen ich nicht mehr aus- ſprechen will, der vor Deiner Drohung entfloh, wie ein Feiger, eben ſo feig geweſen ſein, wenn ſein red- licher Wille, ſeine gute Abſicht, ſeine treue Geſinnung fuͤr mich ihm Waffen, gute, gerechte Waffen dargebo- ten haͤtte? Sein Verſtummen klagt ihn an, und rechtfertiget Dich! Mag mein Herz bluten, mag meine Seele ſich graͤmen, — fuͤr Dich hab’ ich nur Verehrung, Liebe, Gehorſam; fuͤr Dich, mein Vater, hab’ ich nur kindliche Hingebung. Dieſe Dir zu beweiſen, goͤnne mir. Begehre nicht ferner, daß wir zwei uns trennen ſollen, daß ich einen Platz, ſei es der glaͤnzendſte, in einem großen Hauſe aufſuche! Laß’ mich bei Dir. Nur bei Dir iſt Troſt fuͤr verra- thene Liebe; nur an des Vaters Bruſt wohnt Friede fuͤr meine Bruſt; nur indem ich Dich huͤte, mich in Dir vergeſſe, kann ich vergeſſen lernen, wie ſehr ich ihn liebte, — wie ich ihn immer noch liebe.“ Der Rittmeiſter luͤftete den gruͤnen Schirm, der ſeine kranken, einſt von einer Granate geblendeten Augen verdeckte, um ſich die Thraͤnen beſſer trocknen zu koͤnnen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/141
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/141>, abgerufen am 24.11.2024.