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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852.

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Sie gelangten durch die verfallene Umzäunung
bis an das offene Grab, wo der Todtengräber, seine
Schnapsflasche zur Hand, den Trägern entgegenrief:
"Wie lange schleppt Jhr denn an dem alten Bier-
fasse?"

Die Träger setzten ihre Last weg und baten den
Todtengräber um einen Schluck aus seiner Flasche.

Dann warfen sie den Sarg in die Erde und mach-
ten sich auf den Rückweg.

Während der Todtengräber die Oeffnung wieder
zuschaufelte, wobei der Rittmeister ihn andächtig, sei-
ner eigenen Gebrechlichkeit gedenkend, beobachtete,
war Hedwigs Aufmerksamkeit auf ein Kreuz des
benachbarten Grabes gerichtet. Auf diesem stand in
schwarzen Lettern zu lesen:
Antoinette.

Wer liegt hier daneben, Todtengräber? fragte sie.

"Des Komödianten sein Weib!"

Die kranke Frau!? flüsterte Hedwig.

Und der Rittmeister sprach: wir wollen nach
Hause gehen.



Sie gelangten durch die verfallene Umzaͤunung
bis an das offene Grab, wo der Todtengraͤber, ſeine
Schnapsflaſche zur Hand, den Traͤgern entgegenrief:
„Wie lange ſchleppt Jhr denn an dem alten Bier-
faſſe?“

Die Traͤger ſetzten ihre Laſt weg und baten den
Todtengraͤber um einen Schluck aus ſeiner Flaſche.

Dann warfen ſie den Sarg in die Erde und mach-
ten ſich auf den Ruͤckweg.

Waͤhrend der Todtengraͤber die Oeffnung wieder
zuſchaufelte, wobei der Rittmeiſter ihn andaͤchtig, ſei-
ner eigenen Gebrechlichkeit gedenkend, beobachtete,
war Hedwigs Aufmerkſamkeit auf ein Kreuz des
benachbarten Grabes gerichtet. Auf dieſem ſtand in
ſchwarzen Lettern zu leſen:
Antoinette.

Wer liegt hier daneben, Todtengraͤber? fragte ſie.

„Des Komoͤdianten ſein Weib!“

Die kranke Frau!? fluͤſterte Hedwig.

Und der Rittmeiſter ſprach: wir wollen nach
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[134/0138] Sie gelangten durch die verfallene Umzaͤunung bis an das offene Grab, wo der Todtengraͤber, ſeine Schnapsflaſche zur Hand, den Traͤgern entgegenrief: „Wie lange ſchleppt Jhr denn an dem alten Bier- faſſe?“ Die Traͤger ſetzten ihre Laſt weg und baten den Todtengraͤber um einen Schluck aus ſeiner Flaſche. Dann warfen ſie den Sarg in die Erde und mach- ten ſich auf den Ruͤckweg. Waͤhrend der Todtengraͤber die Oeffnung wieder zuſchaufelte, wobei der Rittmeiſter ihn andaͤchtig, ſei- ner eigenen Gebrechlichkeit gedenkend, beobachtete, war Hedwigs Aufmerkſamkeit auf ein Kreuz des benachbarten Grabes gerichtet. Auf dieſem ſtand in ſchwarzen Lettern zu leſen: Antoinette. Wer liegt hier daneben, Todtengraͤber? fragte ſie. „Des Komoͤdianten ſein Weib!“ Die kranke Frau!? fluͤſterte Hedwig. Und der Rittmeiſter ſprach: wir wollen nach Hauſe gehen.

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/138>, abgerufen am 25.11.2024.