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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852.

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Sie gingen also langsam ihren Abendgang. Da
sie sich dem Männer-Hospital näherten, brachten zwei
Armen-Diener einen schlechten Sarg auf einer
schmutzigen Trage heraus und schwatzten dabei roh
und pöbelhaft. Dann setzten sie sich in Bewegung
nach dem Begräbnißplatz, was aber sehr langsam von
Statten ging, da die Last schwer und sie alte kraft-
lose Männer waren. Der Rittmeister und Hedwig
folgten der Leiche, ohne daß sie es wollten. Sie muß-
ten, da sie nicht voraneilen konnten, hinter den keu-
chenden Trägern herziehen.

Hm, sagte der Rittmeister, wenn's Dir sonst recht
ist, Hedwig, geh'n wir vollends mit bis auf den
Kirchhof. Der arme Teufel hat keine Seele gehabt,
die ihm die letzte Ehre erwiese. Wollen wir's thun.

"Gern, lieber Vater," antwortete Hedwig.

Wen begraben wir denn hier? fragte der Ritt-
meister die Träger.

"Den Puppenkomödianten, Herr Obristwacht-
meister, das versoffene Schwein, Gott hab' ihn
selig!"

Hedwig zuckte unwillkührlich mit der Hand, die
des Vaters Arm stützte; dieser erwiederte den Druck,
ohne eine Silbe zu reden.

Sie gingen alſo langſam ihren Abendgang. Da
ſie ſich dem Maͤnner-Hoſpital naͤherten, brachten zwei
Armen-Diener einen ſchlechten Sarg auf einer
ſchmutzigen Trage heraus und ſchwatzten dabei roh
und poͤbelhaft. Dann ſetzten ſie ſich in Bewegung
nach dem Begraͤbnißplatz, was aber ſehr langſam von
Statten ging, da die Laſt ſchwer und ſie alte kraft-
loſe Maͤnner waren. Der Rittmeiſter und Hedwig
folgten der Leiche, ohne daß ſie es wollten. Sie muß-
ten, da ſie nicht voraneilen konnten, hinter den keu-
chenden Traͤgern herziehen.

Hm, ſagte der Rittmeiſter, wenn’s Dir ſonſt recht
iſt, Hedwig, geh’n wir vollends mit bis auf den
Kirchhof. Der arme Teufel hat keine Seele gehabt,
die ihm die letzte Ehre erwieſe. Wollen wir’s thun.

„Gern, lieber Vater,“ antwortete Hedwig.

Wen begraben wir denn hier? fragte der Ritt-
meiſter die Traͤger.

„Den Puppenkomoͤdianten, Herr Obriſtwacht-
meiſter, das verſoffene Schwein, Gott hab’ ihn
ſelig!“

Hedwig zuckte unwillkuͤhrlich mit der Hand, die
des Vaters Arm ſtuͤtzte; dieſer erwiederte den Druck,
ohne eine Silbe zu reden.

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[133/0137] Sie gingen alſo langſam ihren Abendgang. Da ſie ſich dem Maͤnner-Hoſpital naͤherten, brachten zwei Armen-Diener einen ſchlechten Sarg auf einer ſchmutzigen Trage heraus und ſchwatzten dabei roh und poͤbelhaft. Dann ſetzten ſie ſich in Bewegung nach dem Begraͤbnißplatz, was aber ſehr langſam von Statten ging, da die Laſt ſchwer und ſie alte kraft- loſe Maͤnner waren. Der Rittmeiſter und Hedwig folgten der Leiche, ohne daß ſie es wollten. Sie muß- ten, da ſie nicht voraneilen konnten, hinter den keu- chenden Traͤgern herziehen. Hm, ſagte der Rittmeiſter, wenn’s Dir ſonſt recht iſt, Hedwig, geh’n wir vollends mit bis auf den Kirchhof. Der arme Teufel hat keine Seele gehabt, die ihm die letzte Ehre erwieſe. Wollen wir’s thun. „Gern, lieber Vater,“ antwortete Hedwig. Wen begraben wir denn hier? fragte der Ritt- meiſter die Traͤger. „Den Puppenkomoͤdianten, Herr Obriſtwacht- meiſter, das verſoffene Schwein, Gott hab’ ihn ſelig!“ Hedwig zuckte unwillkuͤhrlich mit der Hand, die des Vaters Arm ſtuͤtzte; dieſer erwiederte den Druck, ohne eine Silbe zu reden.

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/137>, abgerufen am 25.11.2024.