ihn vor beinahe sieben Jahren. Jhr kanntet ihn auch und hattet ihn lieb. Möge er Eurer Liebe würdig bleiben. Die hiesige Gemeinde macht eine Ausnahme von den meisten in der Nachbarschaft. Unter Euch hat sich noch am reinsten der ländlich-fromme Sinn, die schlichte Einfalt und anhängliche Treue unserer Vorfahren aufrecht erhalten. Mög' er Euch vertrauen, damit Jhr ihm vertrauen könnt. Und somit übergebe ich ihm, aus Auftrag seiner edlen Wohlthäterin, die Eures Herren Mutter heißen und sein will, das Dominium Liebenau, nebst den dazu gehörigen Vor- werken, Höfen und gesammtem Jnventarium. Er trete vor und zeige sich der versammelten Gemeinde."
Tiefes Schweigen -- ahnungsvolle Erwartung unter allen Anwesenden.
Anton hörte, ohne zu fassen; er wußte, was um ihn her sich begab; er vernahm den Aufruf, der nur ihm gelten konnte; aber er regte sich nicht.
Plötzlich lief ein Geflüster durch die Reihen. Die Zunächststehenden waren durch Peterl aufmerksam gemacht worden, auf den jungen Mann, der den alten Fiebig hierher geleitet, den einzigen Fremden in der ganzen Versammlung. Sie stießen ihre Nachbarn mit den Ellbogen an und deuteten auf ihn. Bald waren
Die Vagabunden. IV. 7
ihn vor beinahe ſieben Jahren. Jhr kanntet ihn auch und hattet ihn lieb. Moͤge er Eurer Liebe wuͤrdig bleiben. Die hieſige Gemeinde macht eine Ausnahme von den meiſten in der Nachbarſchaft. Unter Euch hat ſich noch am reinſten der laͤndlich-fromme Sinn, die ſchlichte Einfalt und anhaͤngliche Treue unſerer Vorfahren aufrecht erhalten. Moͤg’ er Euch vertrauen, damit Jhr ihm vertrauen koͤnnt. Und ſomit uͤbergebe ich ihm, aus Auftrag ſeiner edlen Wohlthaͤterin, die Eures Herren Mutter heißen und ſein will, das Dominium Liebenau, nebſt den dazu gehoͤrigen Vor- werken, Hoͤfen und geſammtem Jnventarium. Er trete vor und zeige ſich der verſammelten Gemeinde.“
Tiefes Schweigen — ahnungsvolle Erwartung unter allen Anweſenden.
Anton hoͤrte, ohne zu faſſen; er wußte, was um ihn her ſich begab; er vernahm den Aufruf, der nur ihm gelten konnte; aber er regte ſich nicht.
Ploͤtzlich lief ein Gefluͤſter durch die Reihen. Die Zunaͤchſtſtehenden waren durch Peterl aufmerkſam gemacht worden, auf den jungen Mann, der den alten Fiebig hierher geleitet, den einzigen Fremden in der ganzen Verſammlung. Sie ſtießen ihre Nachbarn mit den Ellbogen an und deuteten auf ihn. Bald waren
Die Vagabunden. IV. 7
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ihn vor beinahe ſieben Jahren. Jhr kanntet ihn auch
und hattet ihn lieb. Moͤge er Eurer Liebe wuͤrdig
bleiben. Die hieſige Gemeinde macht eine Ausnahme
von den meiſten in der Nachbarſchaft. Unter Euch
hat ſich noch am reinſten der laͤndlich-fromme Sinn,
die ſchlichte Einfalt und anhaͤngliche Treue unſerer
Vorfahren aufrecht erhalten. Moͤg’ er Euch vertrauen,
damit Jhr ihm vertrauen koͤnnt. Und ſomit uͤbergebe
ich ihm, aus Auftrag ſeiner edlen Wohlthaͤterin, die
Eures Herren Mutter heißen und ſein will, das
Dominium Liebenau, nebſt den dazu gehoͤrigen Vor-
werken, Hoͤfen und geſammtem Jnventarium. Er
trete vor und zeige ſich der verſammelten Gemeinde.“
Tiefes Schweigen — ahnungsvolle Erwartung
unter allen Anweſenden.
Anton hoͤrte, ohne zu faſſen; er wußte, was um
ihn her ſich begab; er vernahm den Aufruf, der nur
ihm gelten konnte; aber er regte ſich nicht.
Ploͤtzlich lief ein Gefluͤſter durch die Reihen. Die
Zunaͤchſtſtehenden waren durch Peterl aufmerkſam
gemacht worden, auf den jungen Mann, der den alten
Fiebig hierher geleitet, den einzigen Fremden in der
ganzen Verſammlung. Sie ſtießen ihre Nachbarn mit
den Ellbogen an und deuteten auf ihn. Bald waren
Die Vagabunden. IV. 7
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/101>, abgerufen am 26.07.2024.
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