Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

sam wandern, kann nach der Carina forschen, bleibe
mein eigener Herr -- und kann als solcher verhun-
gern, wo es mir beliebt. Freilich wohl verlier' ich
das schöne Geld, und die Geige mit der ich's erwarb
-- und meine Sonntagskleider, ... jedoch die Affen-
jacke bin ich auch los und das ist durch die übrigen
Verluste noch nicht zu theuer bezahlt. Wer weiß,
warum es so kommen mußte! Antonio mag bei
Antoine und bei dem Baron de la Vanniere begra-
ben bleiben. Jetzt gilt's, dem armen Anton durch-
zuhelfen."

Auf diese Uebereinkunft mit sich selbst folgte
beruhigende Gewißheit. Sobald nur erst die Zwei-
fel schwinden, stellt sich Friede ein. Die laue Nacht
wurde sanft durchschlafen. Hätte der leere Magen
den Träumer nicht gemahnt, sich zu erheben, wer
weiß wie lange noch in den blühenden Mai hinein
unser junger Hahn sein Morgenlied zu krähen gezö-
gert! Dicht neben seiner Schlummerstätte rieselte ein
klarer Quell. Er badete Angesicht, Brust und Füße,
nahm aus dem Ranzen reine Wäsche, suchte die kleine
Bürste hervor, mit ihr jedes Stäubchen vom leichten
Rock zu kehren und so erfrischt suchte er einen Aus-
weg aus dem Walde, dessen Schutz er nicht mehr zu

ſam wandern, kann nach der Carina forſchen, bleibe
mein eigener Herr — und kann als ſolcher verhun-
gern, wo es mir beliebt. Freilich wohl verlier’ ich
das ſchoͤne Geld, und die Geige mit der ich’s erwarb
— und meine Sonntagskleider, ... jedoch die Affen-
jacke bin ich auch los und das iſt durch die uͤbrigen
Verluſte noch nicht zu theuer bezahlt. Wer weiß,
warum es ſo kommen mußte! Antonio mag bei
Antoine und bei dem Baron de la Vannière begra-
ben bleiben. Jetzt gilt’s, dem armen Anton durch-
zuhelfen.“

Auf dieſe Uebereinkunft mit ſich ſelbſt folgte
beruhigende Gewißheit. Sobald nur erſt die Zwei-
fel ſchwinden, ſtellt ſich Friede ein. Die laue Nacht
wurde ſanft durchſchlafen. Haͤtte der leere Magen
den Traͤumer nicht gemahnt, ſich zu erheben, wer
weiß wie lange noch in den bluͤhenden Mai hinein
unſer junger Hahn ſein Morgenlied zu kraͤhen gezoͤ-
gert! Dicht neben ſeiner Schlummerſtaͤtte rieſelte ein
klarer Quell. Er badete Angeſicht, Bruſt und Fuͤße,
nahm aus dem Ranzen reine Waͤſche, ſuchte die kleine
Buͤrſte hervor, mit ihr jedes Staͤubchen vom leichten
Rock zu kehren und ſo erfriſcht ſuchte er einen Aus-
weg aus dem Walde, deſſen Schutz er nicht mehr zu

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0098" n="94"/>
&#x017F;am wandern, kann nach der Carina for&#x017F;chen, bleibe<lb/>
mein eigener Herr &#x2014; und kann als &#x017F;olcher verhun-<lb/>
gern, wo es mir beliebt. Freilich wohl verlier&#x2019; ich<lb/>
das &#x017F;cho&#x0364;ne Geld, und die Geige mit der ich&#x2019;s erwarb<lb/>
&#x2014; und meine Sonntagskleider, ... jedoch die Affen-<lb/>
jacke bin ich auch los und das i&#x017F;t durch die u&#x0364;brigen<lb/>
Verlu&#x017F;te noch nicht zu theuer bezahlt. Wer weiß,<lb/>
warum es &#x017F;o kommen mußte! <hi rendition="#g">Antonio</hi> mag bei<lb/><hi rendition="#g">Antoine</hi> und bei dem Baron de la Vanni<hi rendition="#aq">è</hi>re begra-<lb/>
ben bleiben. Jetzt gilt&#x2019;s, dem armen <hi rendition="#g">Anton</hi> durch-<lb/>
zuhelfen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Auf die&#x017F;e Uebereinkunft mit &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t folgte<lb/>
beruhigende Gewißheit. Sobald nur er&#x017F;t die Zwei-<lb/>
fel &#x017F;chwinden, &#x017F;tellt &#x017F;ich Friede ein. Die laue Nacht<lb/>
wurde &#x017F;anft durch&#x017F;chlafen. Ha&#x0364;tte der leere Magen<lb/>
den Tra&#x0364;umer nicht gemahnt, &#x017F;ich zu erheben, wer<lb/>
weiß wie lange noch in den blu&#x0364;henden Mai hinein<lb/>
un&#x017F;er junger Hahn &#x017F;ein Morgenlied zu kra&#x0364;hen gezo&#x0364;-<lb/>
gert! Dicht neben &#x017F;einer Schlummer&#x017F;ta&#x0364;tte rie&#x017F;elte ein<lb/>
klarer Quell. Er badete Ange&#x017F;icht, Bru&#x017F;t und Fu&#x0364;ße,<lb/>
nahm aus dem Ranzen reine Wa&#x0364;&#x017F;che, &#x017F;uchte die kleine<lb/>
Bu&#x0364;r&#x017F;te hervor, mit ihr jedes Sta&#x0364;ubchen vom leichten<lb/>
Rock zu kehren und &#x017F;o erfri&#x017F;cht &#x017F;uchte er einen Aus-<lb/>
weg aus dem Walde, de&#x017F;&#x017F;en Schutz er nicht mehr zu<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[94/0098] ſam wandern, kann nach der Carina forſchen, bleibe mein eigener Herr — und kann als ſolcher verhun- gern, wo es mir beliebt. Freilich wohl verlier’ ich das ſchoͤne Geld, und die Geige mit der ich’s erwarb — und meine Sonntagskleider, ... jedoch die Affen- jacke bin ich auch los und das iſt durch die uͤbrigen Verluſte noch nicht zu theuer bezahlt. Wer weiß, warum es ſo kommen mußte! Antonio mag bei Antoine und bei dem Baron de la Vannière begra- ben bleiben. Jetzt gilt’s, dem armen Anton durch- zuhelfen.“ Auf dieſe Uebereinkunft mit ſich ſelbſt folgte beruhigende Gewißheit. Sobald nur erſt die Zwei- fel ſchwinden, ſtellt ſich Friede ein. Die laue Nacht wurde ſanft durchſchlafen. Haͤtte der leere Magen den Traͤumer nicht gemahnt, ſich zu erheben, wer weiß wie lange noch in den bluͤhenden Mai hinein unſer junger Hahn ſein Morgenlied zu kraͤhen gezoͤ- gert! Dicht neben ſeiner Schlummerſtaͤtte rieſelte ein klarer Quell. Er badete Angeſicht, Bruſt und Fuͤße, nahm aus dem Ranzen reine Waͤſche, ſuchte die kleine Buͤrſte hervor, mit ihr jedes Staͤubchen vom leichten Rock zu kehren und ſo erfriſcht ſuchte er einen Aus- weg aus dem Walde, deſſen Schutz er nicht mehr zu

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/98
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/98>, abgerufen am 29.11.2024.