eiserner Körperkraft die schwere Last eines Reisesackes neben der Harfe schleppte, schweigend, ohne Lächeln, düsteren Blickes, -- so auch die Liebes-Tyrannei der beiden Schwestern. Sie behandelten ihn wie einen Sklaven, er duldete dies ohne Vorwurf, ohne Klage; dennoch entging mir nicht, daß er zuletzt der Herr und Gebieter sei, dem die frivolen Mädchen sklavisch untergeben waren. Das Verhältniß, in seiner uner- hörten Seltsamkeit, wäre für den beobachtenden Men- schenkenner höchst lehrreich geworden; -- mir konnt' es natürlich nur Schauder abgewinnen. Aber ich mußte mich für's Erste fügen. Auch wurd' ich gut und rücksichtsvoll behandelt, so daß ich keine Ursache zu klagen fand.
Mucki, -- oder Muzi, wie Nepomuck abwechselnd von den Schwestern gerufen ward, -- schien sich am Wenigsten um mich zu bekümmern und trug eine kalte Gleichgültigkeit gegen mich zur Schau, die ich bisweilen, gerade ihrer Absichtlichkeit wegen, für erkünstelt zu halten geneigt war. Mein Vorgefühl hatte mich auch nicht getäuscht.
Wir befanden uns schon weit in Böhmen auf dem Wege nach Prag, da geschah es, daß eines Abends ein heftiger Zank zwischen ihm und den bei-
eiſerner Koͤrperkraft die ſchwere Laſt eines Reiſeſackes neben der Harfe ſchleppte, ſchweigend, ohne Laͤcheln, duͤſteren Blickes, — ſo auch die Liebes-Tyrannei der beiden Schweſtern. Sie behandelten ihn wie einen Sklaven, er duldete dies ohne Vorwurf, ohne Klage; dennoch entging mir nicht, daß er zuletzt der Herr und Gebieter ſei, dem die frivolen Maͤdchen ſklaviſch untergeben waren. Das Verhaͤltniß, in ſeiner uner- hoͤrten Seltſamkeit, waͤre fuͤr den beobachtenden Men- ſchenkenner hoͤchſt lehrreich geworden; — mir konnt’ es natuͤrlich nur Schauder abgewinnen. Aber ich mußte mich fuͤr’s Erſte fuͤgen. Auch wurd’ ich gut und ruͤckſichtsvoll behandelt, ſo daß ich keine Urſache zu klagen fand.
Mucki, — oder Muzi, wie Nepomuck abwechſelnd von den Schweſtern gerufen ward, — ſchien ſich am Wenigſten um mich zu bekuͤmmern und trug eine kalte Gleichguͤltigkeit gegen mich zur Schau, die ich bisweilen, gerade ihrer Abſichtlichkeit wegen, fuͤr erkuͤnſtelt zu halten geneigt war. Mein Vorgefuͤhl hatte mich auch nicht getaͤuſcht.
Wir befanden uns ſchon weit in Boͤhmen auf dem Wege nach Prag, da geſchah es, daß eines Abends ein heftiger Zank zwiſchen ihm und den bei-
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eiſerner Koͤrperkraft die ſchwere Laſt eines Reiſeſackes
neben der Harfe ſchleppte, ſchweigend, ohne Laͤcheln,
duͤſteren Blickes, — ſo auch die Liebes-Tyrannei der
beiden Schweſtern. Sie behandelten ihn wie einen
Sklaven, er duldete dies ohne Vorwurf, ohne Klage;
dennoch entging mir nicht, daß er zuletzt der Herr
und Gebieter ſei, dem die frivolen Maͤdchen ſklaviſch
untergeben waren. Das Verhaͤltniß, in ſeiner uner-
hoͤrten Seltſamkeit, waͤre fuͤr den beobachtenden Men-
ſchenkenner hoͤchſt lehrreich geworden; — mir konnt’
es natuͤrlich nur Schauder abgewinnen. Aber ich
mußte mich fuͤr’s Erſte fuͤgen. Auch wurd’ ich gut
und ruͤckſichtsvoll behandelt, ſo daß ich keine Urſache
zu klagen fand.
Mucki, — oder Muzi, wie Nepomuck abwechſelnd
von den Schweſtern gerufen ward, — ſchien ſich am
Wenigſten um mich zu bekuͤmmern und trug eine
kalte Gleichguͤltigkeit gegen mich zur Schau, die ich
bisweilen, gerade ihrer Abſichtlichkeit wegen, fuͤr
erkuͤnſtelt zu halten geneigt war. Mein Vorgefuͤhl
hatte mich auch nicht getaͤuſcht.
Wir befanden uns ſchon weit in Boͤhmen auf
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/256>, abgerufen am 26.07.2024.
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