den Mädchen ausbrach, dessen Veranlassung mir ver- schwiegen blieb, weil er in ihrer Sprache geführt wurde, von der ich nur wenige, einzelne Worte ver- stand. Wie gewöhnlich suchten die Drei ihr Nacht- lager auf einem Heuboden, mir ein Kämmerlein im Hause überlassend, und ich war doppelt froh, nicht in ihrer Nähe weilen und nicht Zeugin ihres Unfrie- dens bleiben zu müssen. Es mochte eine halbe Stunde vor Sonnen-Aufgang sein, als Mucki bei mir eindrang, mich zu erwecken, mir zu melden, daß die Schwestern in Folge des mit ihm gehabten Zwi- stes ihn, während er schlief, verlassen hätten, daß er seine Heftigkeit bereue, daß er entschlossen sei, sie wie- der einzuholen, daß wir ihnen nacheilen wollten und daß ich mich rüsten solle, mit ihm zu gehen.
Jch folgte ihm.
Es fiel mir nicht auf, daß er Wagen und Pferde im nächsten Orte für uns miethete; vielmehr fand ich begreiflich, daß er die Flüchtigen so rasch wie möglich zu erreichen wünschte. Was mich aber bald befrem- dete, war sein Benehmen auf der Landstraße: er blickte weder rechts noch links; er sah nach denen, die er zu suchen vorgab, sich nicht um; er ließ an keinem Wirthshause still halten, um nach ihnen zu forschen;
den Maͤdchen ausbrach, deſſen Veranlaſſung mir ver- ſchwiegen blieb, weil er in ihrer Sprache gefuͤhrt wurde, von der ich nur wenige, einzelne Worte ver- ſtand. Wie gewoͤhnlich ſuchten die Drei ihr Nacht- lager auf einem Heuboden, mir ein Kaͤmmerlein im Hauſe uͤberlaſſend, und ich war doppelt froh, nicht in ihrer Naͤhe weilen und nicht Zeugin ihres Unfrie- dens bleiben zu muͤſſen. Es mochte eine halbe Stunde vor Sonnen-Aufgang ſein, als Mucki bei mir eindrang, mich zu erwecken, mir zu melden, daß die Schweſtern in Folge des mit ihm gehabten Zwi- ſtes ihn, waͤhrend er ſchlief, verlaſſen haͤtten, daß er ſeine Heftigkeit bereue, daß er entſchloſſen ſei, ſie wie- der einzuholen, daß wir ihnen nacheilen wollten und daß ich mich ruͤſten ſolle, mit ihm zu gehen.
Jch folgte ihm.
Es fiel mir nicht auf, daß er Wagen und Pferde im naͤchſten Orte fuͤr uns miethete; vielmehr fand ich begreiflich, daß er die Fluͤchtigen ſo raſch wie moͤglich zu erreichen wuͤnſchte. Was mich aber bald befrem- dete, war ſein Benehmen auf der Landſtraße: er blickte weder rechts noch links; er ſah nach denen, die er zu ſuchen vorgab, ſich nicht um; er ließ an keinem Wirthshauſe ſtill halten, um nach ihnen zu forſchen;
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den Maͤdchen ausbrach, deſſen Veranlaſſung mir ver-
ſchwiegen blieb, weil er in ihrer Sprache gefuͤhrt
wurde, von der ich nur wenige, einzelne Worte ver-
ſtand. Wie gewoͤhnlich ſuchten die Drei ihr Nacht-
lager auf einem Heuboden, mir ein Kaͤmmerlein im
Hauſe uͤberlaſſend, und ich war doppelt froh, nicht
in ihrer Naͤhe weilen und nicht Zeugin ihres Unfrie-
dens bleiben zu muͤſſen. Es mochte eine halbe
Stunde vor Sonnen-Aufgang ſein, als Mucki bei
mir eindrang, mich zu erwecken, mir zu melden, daß
die Schweſtern in Folge des mit ihm gehabten Zwi-
ſtes ihn, waͤhrend er ſchlief, verlaſſen haͤtten, daß er
ſeine Heftigkeit bereue, daß er entſchloſſen ſei, ſie wie-
der einzuholen, daß wir ihnen nacheilen wollten und
daß ich mich ruͤſten ſolle, mit ihm zu gehen.
Jch folgte ihm.
Es fiel mir nicht auf, daß er Wagen und Pferde
im naͤchſten Orte fuͤr uns miethete; vielmehr fand ich
begreiflich, daß er die Fluͤchtigen ſo raſch wie moͤglich
zu erreichen wuͤnſchte. Was mich aber bald befrem-
dete, war ſein Benehmen auf der Landſtraße: er
blickte weder rechts noch links; er ſah nach denen, die
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/257>, abgerufen am 26.07.2024.
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