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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852.

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Diesen letzteren schien es sehr zu gefallen, daß ich jede
Zudringlichkeit mit Ernst und mürrischem Stolze
abwies, nur meine Lieder sang, übrigens aber schwieg
und mich in gar nichts mischte. Sie gestanden mir
nebst meinem Uebergewichte als Sängerin auch das-
jenige eines sittlichen anständigen Benehmens zu,
weil es mit ihrem gewöhnlichen Treiben sich so am
besten vertrug. Die beiden Schwestern, denn dies
waren sie, hielten sich zurück, wenn rohe Frechheit das
Aeußerste von ihnen begehren wollte; bis dahin jedoch
erduldeten sie so ziemlich Alles und von Jedem, und
zwar mit dem schamlosen Eingeständniß, für jeden
heuchlerischen Blick, für jeden gestohlenen Händedruck
ein Geschenk zu erwarten. Jhr Begleiter galt zugleich
für ihren erklärten und begünstigten Liebhaber; merk-
würdig und unbegreiflich, für den Liebhaber beider
Schwestern, die beide, während sie ihm nicht gestatte-
ten, mit andern Mädchen ein Wort zu wechseln,
gegenseitig keine Eifersucht auf einander zeigten.
Nepomuck, -- so hieß der junge Mensch, -- durfte
schön genannt werden; eine wilde, sonnenverbrannte,
schwarzlockige Schönheit, die jedem Frauenzimmer
von zarterem Gefühl Angst und Grauen einjagen
mußte. Er trug, gleichwie er ohne Murren und mit

Dieſen letzteren ſchien es ſehr zu gefallen, daß ich jede
Zudringlichkeit mit Ernſt und muͤrriſchem Stolze
abwies, nur meine Lieder ſang, uͤbrigens aber ſchwieg
und mich in gar nichts miſchte. Sie geſtanden mir
nebſt meinem Uebergewichte als Saͤngerin auch das-
jenige eines ſittlichen anſtaͤndigen Benehmens zu,
weil es mit ihrem gewoͤhnlichen Treiben ſich ſo am
beſten vertrug. Die beiden Schweſtern, denn dies
waren ſie, hielten ſich zuruͤck, wenn rohe Frechheit das
Aeußerſte von ihnen begehren wollte; bis dahin jedoch
erduldeten ſie ſo ziemlich Alles und von Jedem, und
zwar mit dem ſchamloſen Eingeſtaͤndniß, fuͤr jeden
heuchleriſchen Blick, fuͤr jeden geſtohlenen Haͤndedruck
ein Geſchenk zu erwarten. Jhr Begleiter galt zugleich
fuͤr ihren erklaͤrten und beguͤnſtigten Liebhaber; merk-
wuͤrdig und unbegreiflich, fuͤr den Liebhaber beider
Schweſtern, die beide, waͤhrend ſie ihm nicht geſtatte-
ten, mit andern Maͤdchen ein Wort zu wechſeln,
gegenſeitig keine Eiferſucht auf einander zeigten.
Nepomuck, — ſo hieß der junge Menſch, — durfte
ſchoͤn genannt werden; eine wilde, ſonnenverbrannte,
ſchwarzlockige Schoͤnheit, die jedem Frauenzimmer
von zarterem Gefuͤhl Angſt und Grauen einjagen
mußte. Er trug, gleichwie er ohne Murren und mit

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[251/0255] Dieſen letzteren ſchien es ſehr zu gefallen, daß ich jede Zudringlichkeit mit Ernſt und muͤrriſchem Stolze abwies, nur meine Lieder ſang, uͤbrigens aber ſchwieg und mich in gar nichts miſchte. Sie geſtanden mir nebſt meinem Uebergewichte als Saͤngerin auch das- jenige eines ſittlichen anſtaͤndigen Benehmens zu, weil es mit ihrem gewoͤhnlichen Treiben ſich ſo am beſten vertrug. Die beiden Schweſtern, denn dies waren ſie, hielten ſich zuruͤck, wenn rohe Frechheit das Aeußerſte von ihnen begehren wollte; bis dahin jedoch erduldeten ſie ſo ziemlich Alles und von Jedem, und zwar mit dem ſchamloſen Eingeſtaͤndniß, fuͤr jeden heuchleriſchen Blick, fuͤr jeden geſtohlenen Haͤndedruck ein Geſchenk zu erwarten. Jhr Begleiter galt zugleich fuͤr ihren erklaͤrten und beguͤnſtigten Liebhaber; merk- wuͤrdig und unbegreiflich, fuͤr den Liebhaber beider Schweſtern, die beide, waͤhrend ſie ihm nicht geſtatte- ten, mit andern Maͤdchen ein Wort zu wechſeln, gegenſeitig keine Eiferſucht auf einander zeigten. Nepomuck, — ſo hieß der junge Menſch, — durfte ſchoͤn genannt werden; eine wilde, ſonnenverbrannte, ſchwarzlockige Schoͤnheit, die jedem Frauenzimmer von zarterem Gefuͤhl Angſt und Grauen einjagen mußte. Er trug, gleichwie er ohne Murren und mit

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/255>, abgerufen am 23.11.2024.