Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852.weichen und wies jede Annäherung, in sofern sie gol- Jch langte in Sophienthal wieder mit der Abend- weichen und wies jede Annaͤherung, in ſofern ſie gol- Jch langte in Sophienthal wieder mit der Abend- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0244" n="240"/> weichen und wies jede Annaͤherung, in ſofern ſie gol-<lb/> dene Entſchaͤdigungen betraf, ſo ſtolz von mir ab, daß<lb/> ich beide gaͤnzlich einſchuͤchterte. Dagegen wurd’ es<lb/> mir leicht, den ehrlichen gutmuͤthigen Menſchen abzu-<lb/> fragen, wo Deines Vaters Braut lebe. Es war nicht<lb/> weit von Erlenſtein; kaum drei Meilen entfernt. Nun<lb/> wußte ich genug und ich machte mich auf den Weg,<lb/> verwildert und wuͤſt, wie ich ausſah, eine rechte Land-<lb/> laͤuferin. Der kleine Gaͤrtner und ſeine kleine Frau<lb/> wagten nicht, mir Widerſtand zu leiſten. Sie ent-<lb/> ließen mich mit Achſelzucken und Thraͤnen, als woll-<lb/> ten ſie ſagen: ſie rennt in ihr Verderben, ſie iſt verruͤckt!</p><lb/> <p>Jch langte in Sophienthal wieder mit der Abend-<lb/> daͤmmerung an. Das Dorf beſteht aus einer langen<lb/> Gaſſe, in deren Mitte die Kirche liegt. Das herr-<lb/> ſchaftliche Schloß, mitten in einem waldartigen Park<lb/> befindlich, war nicht zu erblicken. Vor einem huͤbſchen<lb/> Hauſe, der Kirche gegenuͤber, ſtand eine junge Frau,<lb/> welche, da ſie mich erblickte, mir ſchon von Weitem<lb/> entgegenrief: „Sind Sie es, Graͤfin Julie?“ Jch<lb/> gab keine Antwort. Als ich mich naͤherte, wich ſie<lb/> erſchrocken zuruͤck. Jch glaubte in ihr die Gattin des<lb/> Predigers zu erkennen, weil ſie das ſtattlichſte Haus<lb/> und ſo nahe der Kirche bewohnte; deshalb redete ich<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [240/0244]
weichen und wies jede Annaͤherung, in ſofern ſie gol-
dene Entſchaͤdigungen betraf, ſo ſtolz von mir ab, daß
ich beide gaͤnzlich einſchuͤchterte. Dagegen wurd’ es
mir leicht, den ehrlichen gutmuͤthigen Menſchen abzu-
fragen, wo Deines Vaters Braut lebe. Es war nicht
weit von Erlenſtein; kaum drei Meilen entfernt. Nun
wußte ich genug und ich machte mich auf den Weg,
verwildert und wuͤſt, wie ich ausſah, eine rechte Land-
laͤuferin. Der kleine Gaͤrtner und ſeine kleine Frau
wagten nicht, mir Widerſtand zu leiſten. Sie ent-
ließen mich mit Achſelzucken und Thraͤnen, als woll-
ten ſie ſagen: ſie rennt in ihr Verderben, ſie iſt verruͤckt!
Jch langte in Sophienthal wieder mit der Abend-
daͤmmerung an. Das Dorf beſteht aus einer langen
Gaſſe, in deren Mitte die Kirche liegt. Das herr-
ſchaftliche Schloß, mitten in einem waldartigen Park
befindlich, war nicht zu erblicken. Vor einem huͤbſchen
Hauſe, der Kirche gegenuͤber, ſtand eine junge Frau,
welche, da ſie mich erblickte, mir ſchon von Weitem
entgegenrief: „Sind Sie es, Graͤfin Julie?“ Jch
gab keine Antwort. Als ich mich naͤherte, wich ſie
erſchrocken zuruͤck. Jch glaubte in ihr die Gattin des
Predigers zu erkennen, weil ſie das ſtattlichſte Haus
und ſo nahe der Kirche bewohnte; deshalb redete ich
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