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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852.

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sie an: Frau Pastorin, fliehen Sie nicht vor mir; es
ist keine zudringliche Bettlerin, die vor ihnen steht.
Gönnen Sie mir nur zwei Worte.

Augenblicklich faßte sie wieder Muth, so wie
sie meine Stimme vernommen. Sie betrachtete
mich erstaunt und fragte, womit sie mir dienen
könne?

Mein Wunsch mag Jhnen albern erscheinen, wie
mein Erscheinen verdächtig. Dennoch wag' ich Sie
zu bitten. Wer ich bin, was mich hierher führt, --
und so, und jetzt? -- das sind Fragen, die nur mich
berühren, die ihnen durchaus gleichgültig sein können.
Jch habe nur ein Ziel: dieses ist, jene junge Dame
von Angesicht zu sehen, welche sie zu erwarten schei-
nen. Gestatten Sie mir, bei Jhnen zu verweilen, bis
Gräfin Julie kommt? Versprechen Sie mir, mich als
eine Verwandte, die Jhnen unerwartet auf kurzen
Besuch, von irgend wo in's Haus kam, vorzustellen?
Geben Sie mir Gelegenheit, die Comtesse reden zu
hören? Sie erweisen mir dadurch eine große Wohl-
that, eine Wohlthat, von deren Bedeutung Sie kei-
nen Begriff haben können! Mir, und vielleicht der
jungen Gräfin auch. (Ja, blicken Sie mich nur for-
schend an.) Sie sind eine Freundin Juliens?

Die Vagabunden. III. 16

ſie an: Frau Paſtorin, fliehen Sie nicht vor mir; es
iſt keine zudringliche Bettlerin, die vor ihnen ſteht.
Goͤnnen Sie mir nur zwei Worte.

Augenblicklich faßte ſie wieder Muth, ſo wie
ſie meine Stimme vernommen. Sie betrachtete
mich erſtaunt und fragte, womit ſie mir dienen
koͤnne?

Mein Wunſch mag Jhnen albern erſcheinen, wie
mein Erſcheinen verdaͤchtig. Dennoch wag’ ich Sie
zu bitten. Wer ich bin, was mich hierher fuͤhrt, —
und ſo, und jetzt? — das ſind Fragen, die nur mich
beruͤhren, die ihnen durchaus gleichguͤltig ſein koͤnnen.
Jch habe nur ein Ziel: dieſes iſt, jene junge Dame
von Angeſicht zu ſehen, welche ſie zu erwarten ſchei-
nen. Geſtatten Sie mir, bei Jhnen zu verweilen, bis
Graͤfin Julie kommt? Verſprechen Sie mir, mich als
eine Verwandte, die Jhnen unerwartet auf kurzen
Beſuch, von irgend wo in’s Haus kam, vorzuſtellen?
Geben Sie mir Gelegenheit, die Comteſſe reden zu
hoͤren? Sie erweiſen mir dadurch eine große Wohl-
that, eine Wohlthat, von deren Bedeutung Sie kei-
nen Begriff haben koͤnnen! Mir, und vielleicht der
jungen Graͤfin auch. (Ja, blicken Sie mich nur for-
ſchend an.) Sie ſind eine Freundin Juliens?

Die Vagabunden. III. 16
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[241/0245] ſie an: Frau Paſtorin, fliehen Sie nicht vor mir; es iſt keine zudringliche Bettlerin, die vor ihnen ſteht. Goͤnnen Sie mir nur zwei Worte. Augenblicklich faßte ſie wieder Muth, ſo wie ſie meine Stimme vernommen. Sie betrachtete mich erſtaunt und fragte, womit ſie mir dienen koͤnne? Mein Wunſch mag Jhnen albern erſcheinen, wie mein Erſcheinen verdaͤchtig. Dennoch wag’ ich Sie zu bitten. Wer ich bin, was mich hierher fuͤhrt, — und ſo, und jetzt? — das ſind Fragen, die nur mich beruͤhren, die ihnen durchaus gleichguͤltig ſein koͤnnen. Jch habe nur ein Ziel: dieſes iſt, jene junge Dame von Angeſicht zu ſehen, welche ſie zu erwarten ſchei- nen. Geſtatten Sie mir, bei Jhnen zu verweilen, bis Graͤfin Julie kommt? Verſprechen Sie mir, mich als eine Verwandte, die Jhnen unerwartet auf kurzen Beſuch, von irgend wo in’s Haus kam, vorzuſtellen? Geben Sie mir Gelegenheit, die Comteſſe reden zu hoͤren? Sie erweiſen mir dadurch eine große Wohl- that, eine Wohlthat, von deren Bedeutung Sie kei- nen Begriff haben koͤnnen! Mir, und vielleicht der jungen Graͤfin auch. (Ja, blicken Sie mich nur for- ſchend an.) Sie ſind eine Freundin Juliens? Die Vagabunden. III. 16

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/245>, abgerufen am 27.11.2024.