Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852.noch eine andere Thüre als jene, durch welche wir Jch habe mir vorgesetzt, Dir, meinem Sohne, eine Kannst Du es fassen, daß in meine Verzweiflung, noch eine andere Thuͤre als jene, durch welche wir Jch habe mir vorgeſetzt, Dir, meinem Sohne, eine Kannſt Du es faſſen, daß in meine Verzweiflung, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0242" n="238"/> noch eine andere Thuͤre als jene, durch welche wir<lb/> vom Wohnzimmer herein gekommen waren: eine<lb/> Glasthuͤre. Jch blickte durch die Scheiben und ſah in<lb/> ein großes, unermeßlich langes Orangen-Haus mit<lb/> einem hoch zur Decke gruͤnendem Wald von Zitronen-<lb/> und Pomeranzen-Baͤumen. Draußen kaͤmpfte der<lb/> bleiche Mond mit wilden Regenſchauern und ſtreifen-<lb/> den Schneewolken, — da drinn war es ſo ſtill, ſo<lb/> heimlich, ſo bluͤhend-duftig. Es zog mich hinein, wie<lb/> in ein gelobtes Land. Das iſt Jtalien, rief ich aus,<lb/> und wandelte unter den herrlichen Baͤumen. Der<lb/> Mond ſchimmerte bisweilen durch’s dunkelgruͤne Laub.</p><lb/> <p>Jch habe mir vorgeſetzt, Dir, meinem Sohne, eine<lb/> Beichte abzulegen in dieſen Zeilen; Dir nichts zu<lb/> verſchweigen, Anton! Deshalb muß ich auch hier die<lb/> Wahrheit geſtehen. Sie wird Dir unglaublich ſcheinen.</p><lb/> <p>Kannſt Du es faſſen, daß in meine Verzweiflung,<lb/> in die Vernichtung, die vor einer Stunde uͤber mich<lb/> hereingebrochen, jetzt ſchon neue Lebensluſt mit nie-<lb/> geahneten Hoffnungen und Regungen blickte, — dem<lb/> Monde gleich, durch zerriſſenes Gewoͤlk. Ja, indem<lb/> ich verſtoßen, elend, heimathlos, ein irrender Fluͤcht-<lb/> ling umherſchwankte; vom Geliebten verleugnet, von<lb/> den Eltern geſchieden durch meinen trotzigen Entſchluß,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [238/0242]
noch eine andere Thuͤre als jene, durch welche wir
vom Wohnzimmer herein gekommen waren: eine
Glasthuͤre. Jch blickte durch die Scheiben und ſah in
ein großes, unermeßlich langes Orangen-Haus mit
einem hoch zur Decke gruͤnendem Wald von Zitronen-
und Pomeranzen-Baͤumen. Draußen kaͤmpfte der
bleiche Mond mit wilden Regenſchauern und ſtreifen-
den Schneewolken, — da drinn war es ſo ſtill, ſo
heimlich, ſo bluͤhend-duftig. Es zog mich hinein, wie
in ein gelobtes Land. Das iſt Jtalien, rief ich aus,
und wandelte unter den herrlichen Baͤumen. Der
Mond ſchimmerte bisweilen durch’s dunkelgruͤne Laub.
Jch habe mir vorgeſetzt, Dir, meinem Sohne, eine
Beichte abzulegen in dieſen Zeilen; Dir nichts zu
verſchweigen, Anton! Deshalb muß ich auch hier die
Wahrheit geſtehen. Sie wird Dir unglaublich ſcheinen.
Kannſt Du es faſſen, daß in meine Verzweiflung,
in die Vernichtung, die vor einer Stunde uͤber mich
hereingebrochen, jetzt ſchon neue Lebensluſt mit nie-
geahneten Hoffnungen und Regungen blickte, — dem
Monde gleich, durch zerriſſenes Gewoͤlk. Ja, indem
ich verſtoßen, elend, heimathlos, ein irrender Fluͤcht-
ling umherſchwankte; vom Geliebten verleugnet, von
den Eltern geſchieden durch meinen trotzigen Entſchluß,
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