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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852.

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im Oratorium gesungen, bis zu meinem nächtlichen
Besuche im Bildhauerhäuschen, wo ich die schlechte
kupplerische Sippschaft verflucht und Gottes Strafe
über sie herabgerufen, stellte ich der Gräfin das auf-
richtigste Bild meines Lebens dar. Als ich an die
Kunde kam, wie fürchterlich rasch mein Fluch in
Erfüllung gegangen und wie die Familie unter den
Trümmern des Hauses, welches meine Schande auf-
erbaute, durch die Fluth umgekommen sei, bebte die
Dame und verbarg ihr Gesicht in beide Hände. Wir
schwiegen lange Zeit. Jch hörte den alten Haushof-
meister leise schluchzen. Erst als ich diesen Ausbruch
gerührten Mitgefühls vernahm, fand auch ich eine
Thräne.

Die Gräfin weinte nicht. Sie ergriff wieder das
Wort: "Du lügst nicht, Antoinette; das ist gewiß.
Sage mir jetzt offen und ehrlich: hat er Dir die
Ehe versprochen, bevor er Dich verführte?"

Jch antwortete: vorher und nachher, Euer Excel-
lenz, so wahr ein Gott lebt.

Abermals bedeckte sie ihr Gesicht mit ihren Hän-
den und jetzt weinte sie auch. "Jch habe Dir Unrecht
gethan, Mädchen, ich bitte Dich um Verzeihung.
Leider trag' ich keine Schuld. Leider!

im Oratorium geſungen, bis zu meinem naͤchtlichen
Beſuche im Bildhauerhaͤuschen, wo ich die ſchlechte
kuppleriſche Sippſchaft verflucht und Gottes Strafe
uͤber ſie herabgerufen, ſtellte ich der Graͤfin das auf-
richtigſte Bild meines Lebens dar. Als ich an die
Kunde kam, wie fuͤrchterlich raſch mein Fluch in
Erfuͤllung gegangen und wie die Familie unter den
Truͤmmern des Hauſes, welches meine Schande auf-
erbaute, durch die Fluth umgekommen ſei, bebte die
Dame und verbarg ihr Geſicht in beide Haͤnde. Wir
ſchwiegen lange Zeit. Jch hoͤrte den alten Haushof-
meiſter leiſe ſchluchzen. Erſt als ich dieſen Ausbruch
geruͤhrten Mitgefuͤhls vernahm, fand auch ich eine
Thraͤne.

Die Graͤfin weinte nicht. Sie ergriff wieder das
Wort: „Du luͤgſt nicht, Antoinette; das iſt gewiß.
Sage mir jetzt offen und ehrlich: hat er Dir die
Ehe verſprochen, bevor er Dich verfuͤhrte?“

Jch antwortete: vorher und nachher, Euer Excel-
lenz, ſo wahr ein Gott lebt.

Abermals bedeckte ſie ihr Geſicht mit ihren Haͤn-
den und jetzt weinte ſie auch. „Jch habe Dir Unrecht
gethan, Maͤdchen, ich bitte Dich um Verzeihung.
Leider trag’ ich keine Schuld. Leider!

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[229/0233] im Oratorium geſungen, bis zu meinem naͤchtlichen Beſuche im Bildhauerhaͤuschen, wo ich die ſchlechte kuppleriſche Sippſchaft verflucht und Gottes Strafe uͤber ſie herabgerufen, ſtellte ich der Graͤfin das auf- richtigſte Bild meines Lebens dar. Als ich an die Kunde kam, wie fuͤrchterlich raſch mein Fluch in Erfuͤllung gegangen und wie die Familie unter den Truͤmmern des Hauſes, welches meine Schande auf- erbaute, durch die Fluth umgekommen ſei, bebte die Dame und verbarg ihr Geſicht in beide Haͤnde. Wir ſchwiegen lange Zeit. Jch hoͤrte den alten Haushof- meiſter leiſe ſchluchzen. Erſt als ich dieſen Ausbruch geruͤhrten Mitgefuͤhls vernahm, fand auch ich eine Thraͤne. Die Graͤfin weinte nicht. Sie ergriff wieder das Wort: „Du luͤgſt nicht, Antoinette; das iſt gewiß. Sage mir jetzt offen und ehrlich: hat er Dir die Ehe verſprochen, bevor er Dich verfuͤhrte?“ Jch antwortete: vorher und nachher, Euer Excel- lenz, ſo wahr ein Gott lebt. Abermals bedeckte ſie ihr Geſicht mit ihren Haͤn- den und jetzt weinte ſie auch. „Jch habe Dir Unrecht gethan, Maͤdchen, ich bitte Dich um Verzeihung. Leider trag’ ich keine Schuld. Leider!

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/233>, abgerufen am 29.11.2024.