Komödianten zu thun hätte. Dein ehrliches, blasses und verkümmertes Gesicht wird besser zu meinem Herzen sprechen, wie Fußfälle und solche Albernheiten. Sage mir, was Du bei mir suchst?"
Gerechtigkeit, erwiederte ich.
Die Gräfin trat einen Schritt zurück, gleichsam ahnend, wer ich sein könne. Sie mußte sich erst fassen, bevor sie wieder zu reden vermochte. Dann fragte sie weiter: "Bei mir? und gegen wen?"
Gegen die Mutter des Grafen Guido, sprach ich bescheiden, doch fest; gegen ihre grausamen Vorwürfe, die ich nicht verdiene.
"So ist sie die Kantors-Tochter!?" sagte die Gräfin.
Und der Haushofmeister, näher zutretend, sprach: ich habe mir's gedacht, Excellenz.
Der Lakai war nicht mehr im Zimmer.
"Sie muß überaus frech sein," hub die Gräfin wieder an, "oder Sie muß ein sehr gutes Gewissen haben, daß sie sich bis zu mir wagt. Rede Sie, ich will Sie hören!"
Nun machte ich Gebrauch von dieser Erlaubniß, im weitesten Sinne des Wortes. Von dem ersten Blicke, den Dein Vater mit mir gewechselt, wo ich
Komoͤdianten zu thun haͤtte. Dein ehrliches, blaſſes und verkuͤmmertes Geſicht wird beſſer zu meinem Herzen ſprechen, wie Fußfaͤlle und ſolche Albernheiten. Sage mir, was Du bei mir ſuchſt?“
Gerechtigkeit, erwiederte ich.
Die Graͤfin trat einen Schritt zuruͤck, gleichſam ahnend, wer ich ſein koͤnne. Sie mußte ſich erſt faſſen, bevor ſie wieder zu reden vermochte. Dann fragte ſie weiter: „Bei mir? und gegen wen?“
Gegen die Mutter des Grafen Guido, ſprach ich beſcheiden, doch feſt; gegen ihre grauſamen Vorwuͤrfe, die ich nicht verdiene.
„So iſt ſie die Kantors-Tochter!?“ ſagte die Graͤfin.
Und der Haushofmeiſter, naͤher zutretend, ſprach: ich habe mir’s gedacht, Excellenz.
Der Lakai war nicht mehr im Zimmer.
„Sie muß uͤberaus frech ſein,“ hub die Graͤfin wieder an, „oder Sie muß ein ſehr gutes Gewiſſen haben, daß ſie ſich bis zu mir wagt. Rede Sie, ich will Sie hoͤren!“
Nun machte ich Gebrauch von dieſer Erlaubniß, im weiteſten Sinne des Wortes. Von dem erſten Blicke, den Dein Vater mit mir gewechſelt, wo ich
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Komoͤdianten zu thun haͤtte. Dein ehrliches, blaſſes
und verkuͤmmertes Geſicht wird beſſer zu meinem
Herzen ſprechen, wie Fußfaͤlle und ſolche Albernheiten.
Sage mir, was Du bei mir ſuchſt?“
Gerechtigkeit, erwiederte ich.
Die Graͤfin trat einen Schritt zuruͤck, gleichſam
ahnend, wer ich ſein koͤnne. Sie mußte ſich erſt
faſſen, bevor ſie wieder zu reden vermochte. Dann
fragte ſie weiter: „Bei mir? und gegen wen?“
Gegen die Mutter des Grafen Guido, ſprach ich
beſcheiden, doch feſt; gegen ihre grauſamen Vorwuͤrfe,
die ich nicht verdiene.
„So iſt ſie die Kantors-Tochter!?“ ſagte die
Graͤfin.
Und der Haushofmeiſter, naͤher zutretend, ſprach:
ich habe mir’s gedacht, Excellenz.
Der Lakai war nicht mehr im Zimmer.
„Sie muß uͤberaus frech ſein,“ hub die Graͤfin
wieder an, „oder Sie muß ein ſehr gutes Gewiſſen
haben, daß ſie ſich bis zu mir wagt. Rede Sie, ich
will Sie hoͤren!“
Nun machte ich Gebrauch von dieſer Erlaubniß,
im weiteſten Sinne des Wortes. Von dem erſten
Blicke, den Dein Vater mit mir gewechſelt, wo ich
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/232>, abgerufen am 17.02.2025.
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