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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852.

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heiligen Ruf verletze? Nach langem Besinnen hub er
an: Sie haben mich fest nehmen lassen, weil Sie
wissen, daß ich es bin, der eines Flüchtlings Reisepaß
benützend, mich in dieses Land, in diese Stadt ein-
geschlichen; weil Sie wissen, daß ich hier einen Win-
ter lang in schlechter, wenn auch prunkvoller Umge-
bung verkehrte; daß ich jetzt durch mildthätige Seelen
vom Tode errettet, ohne Mittel, ohne Aussicht, plan-
los in's Blaue hinein vegetire; weil Sie einen Va-
gabunden meiner Gattung nicht dulden wollen; weil
Sie für nöthig finden, mich in's Gefängniß zu werfen.

"Was der junge Mann für stolze Pläne hegt! --
Wir scheinen noch nicht gänzlich hergestellt von
schwarzen Fieberträumen! Nein, mein Kind, so
schlimm steht es nicht. Wohl ist mir bekannt, -- und
ich wäre ein schlechter Beamteter auf meinem Platze,
wenn ich davon keine Kenntniß hätte, -- daß Sie
nicht derselbe Antoine sind, auf dessen längst abgelau-
fenen Ausweis Sie durch die Barrieren drangen.
Eben so wenig, wie Sie ein gewisser Baron mit
unmöglichem Namen sind, der allerdings auf meinem
schwarzen Register steht und der zur guten Stunde
sich entbaronisirte, um wieder ein schlichter Antoine
zu werden. Auch haben wir unsere Augen, -- denn

heiligen Ruf verletze? Nach langem Beſinnen hub er
an: Sie haben mich feſt nehmen laſſen, weil Sie
wiſſen, daß ich es bin, der eines Fluͤchtlings Reiſepaß
benuͤtzend, mich in dieſes Land, in dieſe Stadt ein-
geſchlichen; weil Sie wiſſen, daß ich hier einen Win-
ter lang in ſchlechter, wenn auch prunkvoller Umge-
bung verkehrte; daß ich jetzt durch mildthaͤtige Seelen
vom Tode errettet, ohne Mittel, ohne Ausſicht, plan-
los in’s Blaue hinein vegetire; weil Sie einen Va-
gabunden meiner Gattung nicht dulden wollen; weil
Sie fuͤr noͤthig finden, mich in’s Gefaͤngniß zu werfen.

„Was der junge Mann fuͤr ſtolze Plaͤne hegt! —
Wir ſcheinen noch nicht gaͤnzlich hergeſtellt von
ſchwarzen Fiebertraͤumen! Nein, mein Kind, ſo
ſchlimm ſteht es nicht. Wohl iſt mir bekannt, — und
ich waͤre ein ſchlechter Beamteter auf meinem Platze,
wenn ich davon keine Kenntniß haͤtte, — daß Sie
nicht derſelbe Antoine ſind, auf deſſen laͤngſt abgelau-
fenen Ausweis Sie durch die Barrièren drangen.
Eben ſo wenig, wie Sie ein gewiſſer Baron mit
unmoͤglichem Namen ſind, der allerdings auf meinem
ſchwarzen Regiſter ſteht und der zur guten Stunde
ſich entbaroniſirte, um wieder ein ſchlichter Antoine
zu werden. Auch haben wir unſere Augen, — denn

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[18/0022] heiligen Ruf verletze? Nach langem Beſinnen hub er an: Sie haben mich feſt nehmen laſſen, weil Sie wiſſen, daß ich es bin, der eines Fluͤchtlings Reiſepaß benuͤtzend, mich in dieſes Land, in dieſe Stadt ein- geſchlichen; weil Sie wiſſen, daß ich hier einen Win- ter lang in ſchlechter, wenn auch prunkvoller Umge- bung verkehrte; daß ich jetzt durch mildthaͤtige Seelen vom Tode errettet, ohne Mittel, ohne Ausſicht, plan- los in’s Blaue hinein vegetire; weil Sie einen Va- gabunden meiner Gattung nicht dulden wollen; weil Sie fuͤr noͤthig finden, mich in’s Gefaͤngniß zu werfen. „Was der junge Mann fuͤr ſtolze Plaͤne hegt! — Wir ſcheinen noch nicht gaͤnzlich hergeſtellt von ſchwarzen Fiebertraͤumen! Nein, mein Kind, ſo ſchlimm ſteht es nicht. Wohl iſt mir bekannt, — und ich waͤre ein ſchlechter Beamteter auf meinem Platze, wenn ich davon keine Kenntniß haͤtte, — daß Sie nicht derſelbe Antoine ſind, auf deſſen laͤngſt abgelau- fenen Ausweis Sie durch die Barrièren drangen. Eben ſo wenig, wie Sie ein gewiſſer Baron mit unmoͤglichem Namen ſind, der allerdings auf meinem ſchwarzen Regiſter ſteht und der zur guten Stunde ſich entbaroniſirte, um wieder ein ſchlichter Antoine zu werden. Auch haben wir unſere Augen, — denn

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/22>, abgerufen am 02.05.2024.